Digitized by the Internet Archive in 2010 witii funding from University of Toronto http://www.arcliive.org/details/dasbucliderweislieOOseli > Das Buch der Weisheit des Jesus Sirach (Josua ben Sira) in seinem Verhältniss zu den salomonischen Sprüchen und seiner historischen Bedeutung. Inaugural-Dissertation V e r f a s s t und der Philosophischen Facultät der Vereinigten Friedrichs -Universität Halle- Wittenberg zur Erlangung' der Doetorwürde vorgelegt Caesar Seligmann. 75-rr Halle a. d. Saale. 1883. / 7 b^ 5^ Meinem theuerri Vater als Zeichen kindlicher Liebe und Dankbarkeit gewidmet. Einleitung. Hiine kleine Schaar babylonischer Exulanten zog unter Serubabels Führung zurück nach dem gelobten Lande. Wie ganz anders war der erste Einzug gewesen! Damals ein starkes Volk von über 600,000 kriegstüchtigen Männern, jetzt ein verschwindendes Häuflein, 42,000 Köpfe zählend, damals den Auszug aus dem Lande, das es zum Sklaven machte, sich ertrotzend, jetzt abhängig von der Laune des persischen Königs, damals wie ein Löwe frei in der Wüste streifend, Schrecken überall hin tragend, wo es auftrat, jetzt scheu ein unterdrücktes Volk noch in der Freiheit. Aber trotz alles Schlagschattens, den eine noch weiter fort- gesetzte Parallele auf den jetzigen Auszug werfen würde, ein Kleinod brachte Israel mit aus dem Exil, werthvoller als Macht und Stärke, glänzender als Freiheit. Aus dem Schutte des verbrannten Tempels hatte es sein heiliges Gesetz gerettet, aus dem Kerker der Gefangenschaft brachte es mit die glühenden Worte seiner Propheten. Und das un- sägliche Elend hatte Israel geläutert. Nun wahrte es seinen kostbaren Schatz mit Argusaugen, alle Eimnchtungen, die es traf, galten, ihm gemäss zu leben, sein Schriftthum be- wegte sich fast einzig in dem engen Rahmen der Erklärung und Deutung, der Erweiterung und Begrenzung seiner hei- ligen nationalen Literatur. Dieses Aufgehen in den re- ligiösen Schriften der Vorzeit, dieses Leben peinlich ange- passt den religiösen Vorschriften und Satzungen, Hessen zwar Israel keine Zeit, politisch heranzureifen und zu er- 1 starken, um so mehr aber, innerlich sich zu festigen, einen sichern Halt zu gewinnen und einen klaren Lebensinhalt und Lebensberuf zu erkennen in der Ausbildung der Gottes- lehre. Mehr denn je galt jetzt das AVort des heidnischen Propheten : ntTHiT sS D^^^SI pw" mnS Dr p Siehe ein Volk gesondert wohnt es, nicht zu den Völkern lässt es sich rechnen. Darum vermochte auch der Sturm, der durch Alexanders gewaltigen Kriegszug über Asien hereinbrach und griechische Sitte und Kultur mit sich führte, die bald ihren mächtig herrschenden Einfluss auf Asiens Völker geltend machte, Israels Volksthümlichkeit, seine Kultur, seine Religion nicht zu verwehen. Bald unter ägyptisch ptolemäischer bald unter seleucidischer Oberhoheit, selbst ein Zankapfel zwischen beiden Reichen und oft der Schau- platz der erbittertsten Kämpfe, flüchtete es zurück in die Stille seines nationalen Heiligthumes. Erst als es da angegriffen ward, erst als ein gewaltthätiger Fürst auch sein Heilig- thum entweihte, raffte es sich auf und kämpfte für dieses, und durch diesen Kampf aus seiner Stille aufgescheucht, herausgetreten auf den öffentlichen Schauplatz der Ereig- nisse, erkämpfte es sich bald nicht nur ungestörte Religions- übung, sondern Freiheit, Selbstständigkeit, geachtete poli- tische Stellung. Das ^sind die kurzen Umrisse der Geschichte von vier Jahrhunderten. Wer näher auf die in diese Periode fallen- den Ereignisse und Umgestaltungen in der Geschichte des Volkes Israel eingehen wollte, der würde sich in ähnlicher Lage befinden, wie ein Baumeister, der ohne Bausteine ein Gebäude aufführen wollte. Es fehlen aus dieser Zeit fast alle literarischen Denkmäler und geschichtlichen Nachrichten. Ausser einigen in Talmud und Midrasch zerstreut sich vor- findenden Notizen ist der Geschichtsforscher fast einzig auf die kurz gedrängte Uebersicht der Hauptereignisse bei Jo- sephus angewiesen, dessen Angaben von zahlreichen Irr- thümern nicht frei sind. Einzelne Stücke aus dem Hagio- graphenkanon fallen wohl auch in den Anfang dieser Periode. Aber abgesehen von der Unmöglichkeit; ihre Zeit mit Ge- wisslieit zu fixiren, geben sie dem Geschichtsschreiber nnr wenig geschichtlichen Stoff an die Hand. Und doch wäre nichts falscher, als die Annahme, dass diese Zeit arm au literarischen Erzeugnissen gewesen sei. Am Schlüsse des Buches Kohelet, dessen Zeit freilich schwer zu bestimmen ist, das die meisten Ausleger jedoch in diese Periode setzen, findet sich eine Stelle, die gegen Vielschreiberei eifert: yp 1"'« n2"in O'iao mü-r des \ielen Büchermachens ist kein Ende. Wo sind diese Bücher alle hingekommen? Unschwer ist die Antwort darauf. Die Kriege unter Antiochus, Titus und Hadrian, die Zerstreuung des Volkes, die fanatische Wuth, mit der man auf Vernichtung der nationalen Literatur ausging, trägt wohl die Schuld an dem Verluste der meisten schriftstellerischen Denkmäler jener Zeit.*) Nur ein grösseres Werk, das mit ziemlicher Gewiss- heit in jene Zeit zu verlegen ist, hat sich aus diesem all- gemeinen Untergänge gerettet und gewährt durch seinen Eeichthum an werthvollen Bemerkungen und Andeutungen einen tiefen Einblick in die religiösen, geschichtlichen und Kulturverhältnisse seiner Zeit. Es ist dies das dem salomonischen Öpruchbuch nachgebildete Buch der Weis- heit des Josua Sohn Sirachs,-) oder wie nach Hieronj^- ') s. Zanz, Gottesdienstliche Vorträge, pag. 40 u. 34. ^) Zur Aufschrift vgl. Fritzsche, kurzgefasstes exegetisches Hand- buch zu den Apocryphen des alten Testamentes V. Die Weisheit Jesus' Sirachs pag. XVIII ff. — Zunz, a. a. 0. pag. 101 Aum. a. — Delitzsch, Zur Geschichte der jüdischen Poesie pag. 198. — Der ursprüngliche Name des Verfassers ist wohl kt-d p L'U^TI"' Josua hen Sira, wie aus vielen Stellen des Talmud (vgl. u.) hervorgeht. Die Peschito nennt ihn K"i"CK priar "1^ r'C", die Septuaginta -;'-pc ff. n. and. in der Septuaginta nachgewiesen worden.') Auch die Frage, wer unter Euergetes zu verstehen sei, kann als erledigt betrachtet werden. Denn nur Euergetes IL Physkon re- gierte mehr als 38 Jahre, da er seine Regierungszeit nicht erst seit dem Todesjahre seines Brudes Philometer 145, sondern seit 170, dem Anfangsjahr ihrer gemeinschaftlichen Regierung datirte.^) Demnach ergibt sich als das 38. Jahr seiner Regierung das Jahr 132. Nun nennt der üebersetzer in der obengenannten Vorrede den Josua Sirach seinen Grossvater. Rechnet man also zwei Menscbenalter zu dem Jahre 132 hinzu, so ergibt sich als Lebenszeit Sirachs etwa das Jahr 1 90. Mehrere Ausleger, denen dieses Zeitergebniss nicht passte, und die doch mit der Angabe -är-JK zu rechnen hatten, halfen sich mit der Ausflucht, -ärz-o^ bedeute auch Urahn, wofür sie Belegstellen aus griechischen Klassikern beibringen.^) Nun ist es freilich wahr, dass -dTz-o^ auch Urahn bedeutet; aber nur an solchen Stellen, wo dies der Zusammenhang unmittelbar erkennen lässt."*) Somit ist dieser Einwand nichtig. Ein zweites Datum für die Abfassuugszeit lässt sich aus dem Buche selbt entnehmen. Bei dem Ueberblick über die bedeutendsten Persönlichkeiten der Geschichte Israels ') Von Fritzsche a. a. 0. pag. XIII; Herzfeld, Geschichte des Volkes Israel III- pag. 74. ^) Das bezeugt Porphyrius in Eusebius' Chronik: ixs-:«/.>.r;9^3'.; iz K'jpy]'/Tj; ö E'J£p-pxr,c xci ßa^iXc'jc avccfop3'j&3'.; -ö. izr^ '/jto'j avcc^pct'f j-.. v'S oD itpüj-ov ßco'.Xsüi; £vo|jl13&t;, ioq ooxsiv ji£-ä xrjv zo-j aoc7.(2oD TsXsu-yjv ap^avxc« «UTOV ETSO'.V SlZOSt -TilvTS C?vaT'.?}sVG!l ictUTli) X£3a''K ntur p --dv. Un- mittelbar vorher war Antigonos aus Socho genannt-, der Plural Cnö be- weist aber, dass neben Antigonos auch noch sein Lehrer Simon der Ge- rechte mitgemeint sei. Das ist die einfachste Auslegung. Anders Zunz a. a. O. pag. 37 Anm. c, welcher vor Jose ben Joeser und Jose ben Jo- chanan eine Lücke constatirt, die mit Zadok und Boöthos auszufüllen sei. — Graetz (Monatsschrift 1857 pag. 50) nimmt zwischen dem Paare Jose ben Joeser und Jose ben Jochanan eine Lücke von gleich vier Generationen 10 starb, wie anderweitig bekannt ist, Jose ben Joeser um's Jahr 160.') AVar er ein Schüler Simons des Gerechten, so musste dieser um's Jahr 200 gelebt haben. Noch ein Beweis lässt sich aus Sirach selbst entnehmen. Sirach hebt von Simon hervor, dass er Tempel und Stadt neu habe herrichten lassen. Wann soll das geschehen sein? Viele denken zwar hiebei an die Zeit Simons I. Aber wie viel näher liegt folgender Schluss. Bei Josephus ist von einem Brief die Rede, den Antiochus nach Jerusalem schickte, und worin die Wiederherstellung der Tempel- und Stadtmauern erwähnt wird. Dies geschah im Jahre 200 nach der Schlacht an den Jordansquellen, auf welche mehrere Jahre Ruhe folgte. Liegt es da nicht nahe, anzunehmen, dass Simon II. diese Zeit zur Wiederherstellung benutzt habe?^) Nebenbei sei auch noch erwähnt, dass das Bre- viarium von Philo Simon II. ausdrücklich ,,den Gerechten" nennt und berichtet, dass Antiochus der Grosse ihn mit Ehrenbezeugungen überhäuft habe.'^) Das dritte Makka- bäerbuch berichtet von ihm eine seltsame Wundergeschichte,'*) die, wenn auch erfunden, jedenfalls dafür spricht, dass man sich unter Simon II. keinen unbedeutenden Menschen vor- zustellen habe. Was wird nun gegen das Gewicht aller dieser Gründe von den Gegnern dieser Ansicht beigebracht? an, indem er zu beweisen sucht, dass bip auch von mittelbarer Diadoche gebraucht werde. Der ganze Beweis stützt sich aber darauf, dass auch zwischen Jose ben Joesers Tode und Simon ben Schetachs Funktion zu Alexander Jannai's Zeit mehr als eine Generation liege, also eine Lücke von mindestens einer Generation bestehe, während die Mischna die Dia- doche auch durch ö.lö ibsp verbindet. Nimmt man jedoch an, dass Simon ben Schetach's Amtsfunktion 10 Jahre früher, als Graetz sie setzt, be- gonnen habe, und dass Josua ben Perachja und Nithai aus Arbela nicht 30 sondern einige -10 Jahre fungirt haben, so braucht h^p seine sonst überall bestätigte Bedeutung von unmittelbarer Nachfolge nicht zu verlieren. >) s. Graetz, Gesch. IIb pag. 274 u. 369; Geiger, a. a. 0. p. 64. 2) s. u. pag. 61 u. 63 f. 3) g Graetz a. a. 0. pag. 236 u. 250; Herzfeld a. a. 0. II pag. 347 ff. *) 8. Graetz a. a. 0. pag. 236 u. 250. 11 Einmal die Angabe des Josephus, welcher Simoii I. aus- drücklich als den Gerechten bezeichnet. ') Ist aber Josephus ein so sicherer Gewährsmann,^) und ist der Grund, den er für diese Benennung anführt, nicht gar so schwach und wenig stichhaltig? Sieht sich nicht der Vertheidiger der Angabe des Josephus genöthigt, gegen eine andere wichtige Stelle dieses Autors, die ebenfalls von Simon dem Gerechten handelt, gegründete Bedenken zu äussern?-') Sollte ein ein- ziges Wort eines wie bekannt, sehr oft nicht zum besten instruirten Gewährsmannes die Wucht aller früher an- geführten Beweise erschüttern, wo nichts für, alles gegen seine Ansicht spricht? Der zweite Einwand, den man gegen obiges Resultat erhoben hat, beruht auf einer ebenfalls auf einer Stelle des Josephus gegründeten Hypothese, die, selbst wenn ihre Richtigkeit auch zu erweisen wäre, dem oben gewonnenen Resultate wenig schaden würde."*) Das Endergebniss dieser nothwendig etwas länger aus- gedehnten Untersuchung ist demnach, dass Sir ach höchst wahrscheinlich ein jüngerer Zeitgenosse Simon IL des Gerechten gewesen sei und um das Jahr 190 ge- lebt habe. Ueber das Leben Sirachs ist fast gar nichts bekannt; die wenigen Notizen darüber finden sich in den verschiedenen Einleitungsschriften'^) und Bearbeitungen^) des Buches zu- sammengetragen. Das gleiche gilt von dem allgemeinen *) Antiquitäten XU, 2, 5. -) E. Schürer (Herzog u. Plitfs Real-Encyclopädie VII p. 1 10 Art. Josephus Flavius) schreibt über die Archäologie: Weit weniger sorg- fältig (als die Geschichte des jüdischen Krieges) ist die jüdische Archäo- logie gearbeitet. Soweit wir hier seine Quellenbenutzung controliren können, ist sie nicht sehr vertrauenerweckend für das übrige. 3) Graetz, a. a. 0. pag. 221 Anm. Monatsschrift 1857 pag. 48 Anm. 4. '') s. u. pag. 57 Anm. 6. ^) Eine ziemlich vollständige Zusammenstellung der hauptsächlichsten über Sirach erschieneneu Literatur findet sich in der 1881 erschienenen „Geschichte der heiligen Schriften alten Testamentes" von Reuss p. 549 ff. «) s. u. pag. 17 f. 12 Charakter, der Grundsprache, der Zusammensetzung,') dem späteren Ansehen des Buches in der Kirche und seiner Stellung im christlichen Kanon. ^) Wichtiger und weniger klar gestellt ist sein Verhält- niss zum Talmud. Oft schon ward dieFrage aufgeworfen, warum gehört das Buch Sirach zu den Apocryphen, warum ist es nicht unter die kanonischen Schriften eingereiht? Verschieden lautete die Antwort, die man darauf gab. Nach der einen Ansicht trägt die Hauptschuld der Inhalt des Buches selbst, der oft den unter den Rabbinen herrschenden Anschauungen widerspreche.^) Nach der andern Ansicht liegt der Grund in seiner späten Abfassungszeit.*) Die ein- fachste und leichteste Erklärung wäre natürlich die Annahme, dass der Kanon vor der Entstehung Sirachs abgeschlossen ge- wesen sei.-"^) Als Hauptbeweis dafür führt man eine Stelle aus der Vorrede des griechischen Uebersetzers Sirachs an, worin die Rede ist vom Gesetz, den Propheten und den übrigen Schriften; die Erwähnung der übrigen Schriften soll den *) vgl. Ewald, Jahrbücher der bibl. Wissenschaft I pag. 125 ff. Geschichte IV- pag. 300-, dag. Bruch, Weisheitslehre der Hebräer pag. 274 Anm. 1. ^) s. bes. Bleek in „theol. Studien u. Kritiken 1853 pag. 267 ff. und Oehler in Herzogs Reallexicon Art. Kanon. 3) So Geiger in der Zeitschrift der DMG 1858 pag. 538 ff. (derselbe Aufsatz befindet sich auch in den nachgelassenen Schriften III p. 275 ff.) Geiger hebt besonders zwei Punkte hervor, die das Buch den Pharisäern unlieb machten, die Nichterwähnung der Lehre von der Auferstehung und die Vorliebe für den zadokitischen Priesterstamm. Um seine Ansicht zu begründen, zählt er eine Reihe von Abweichungen des syrischen vom griechischen Texte auf, die er für absichtliche Aenderungen hält. **) s. Zunz, a. a. 0. pag. 34; Joel, Blicke in die Religionsgeschichte (überhaupt für das folgende zu vergleichen) I pag. 71 ff.; Jost, Geschichte des Judenthums I pag. 312 führt beide Gründe an; vgl. auch Derenbourg a. a. 0. pag. 50 Anm. 1. ■') 8. Vaihinger; Zur Untersuchung über den Abschluss des alt- testamentlichen Kanons in „theologische Studien und Kritiken" 1857, I pag. 93 ff. (ders. in Herzog Reallexicon Art. Sirach); Herrn. L. Strack (in Herzog u. Pütts Real-Encyclopädie VII pag. 423 ff. Art. Kanon des alten Testamentes) über dessen Ansicht vgl. u. pag. 14 Anm. 1. 13 Abscliluss des Hagiographenkanons involviren.') Diese An- sicht würde zweifellos ohne weiteres zu acceptiren sein, wenn nicht zwei Umstände hinzuträten, welche die Sache bedeutend erschweren. Denn einmal giebt es ein Buch, welches sicher später als Sirach geschrieben wurde, und doch zu dem Kanon gehört, das Buch Daniel,") Dann finden sich in Talmud und Midrasch an circa 40 Stellen Sprüche aus Sirach citirt'') und zwar oft in einer Weise, die nur von ßibelstellen üblich ist,"*) so dass sich der Gedanke *) Die griechischen Worte lauten ö voul-j; y.rjx rjX rpowjTsl'zi /cd zä Xoit:« twv ßißXiojv. Dass es andere Bücher gegeben hat, fällt Niemandem ein zu läugnen, nur dass der Kanon dieser anderen Bücher definitiv fest- gestanden habe. Der Uebersetzer hat auch gar keinen bestimmten Namen für diese Bücher; denn weiter oben sagt er tojv fJJXwy ßißXuuv und To)v aiJMy TO)v z«-" u'j-fj'j:, •/^x.oXo'jt)-r,/o-(ijv. Warum nennt er sie nicht rr^w^pa'^a'^ s. Hitzig, Psalmen II pag, ll8-, Frankel, Vorstudien zur Septuaginta (pag. 21 Anm.) zweifelt überhaupt an der Echtheit der Vorrede, -) Ueber dasselbe vgl, bes. Bleek, Einleitung in das alte Testament * pag. 462 if, u. Jahrbücher für deutsche Theologie 1860 pag, 45 f, ^) Schon iü alter Zeit wurden einzelne dieser Sprüche zusammen- gestellt, so von Asaria de Rossi in Meor Enajim (Wien 1829) fol, 43b ff, und von David Gans in Zemach David (Fürth 1805) fol, 16a f.; in jüng- erer Zeit von Jehuda ben Seeb in der Einleitung zu seiner Ausgabe des Sirach und von Plessner in der Einleitung zu pab fö ü'^bn "IBD', Zunz a. a. 0. pag. 101—105 hat so ziemlich alle Stellen nachgewiesen, an denen der Talmud theils mit, theils ohne Namensnennung Sprüche aus Sirach anführt. Gesammelt wurden diese Stellen von Dukes, Rabbinische Blumenlese pag. 67—84 (zum Theil auch von Delitzsch a. a. 0. p, 204), Neuerdings hat Horowitz a, a. O, p, 186 noch einige neue Sprüche zu den längst gesammelten hinzugefügt, ^) Der erste, der Sirach citirt, ist Simon ben Schetach jer, Be- rachoth Hb.: STID «TD p"l «nSDa (wiederholt jer. Nasir 54b. u. Bere- schith rabbah c. 91). Mit dem Ausdruck -löKJtt' citirt ihn Rah (c, 165 bis 247 p, Chr.) Erubin 65a; mit dem Ausdruck D^mnDn r'^ltTö neben Sprüchen aus Thora und Nebiim citirt ihn Rabbah (c. 270—330 p. Chr.) Baba Kama 92 b. Interessant ist die Bemerkung von Raschi und Thosa- photh zu den beiden letztgenannten Stellen ; Kin Kött»! nt KipQ "IHK ''npna K"i"'D)3 1BDD sagt Raschi zu Erubin 65 a und ebenso Tboraphoth zu Baba Kama 92 b Kin KT-D 13 -)BD3 Köt^. Asaria de Rossi a. a. O. p. 44 b. 14 kaum zurückdrängen lässt, die talmudisclien Lehrer hätten zu einer Zeit das Buch Sirach für kanonisch angesehen.') Nun findet sich im Talmud eine Notiz, in der Sirach gleichsam als Grenze zwischen kanonischen und profanen Büchern hingestellt wird. Die Stelle lautet: p '^"ISD Die Bücher Ben Sira, und alle Bücher, welche von da ab geschrieben wurden, verunreinigen nicht die Hände (sind als nichtheilig zu betrachten).^) Aus wahrscheinlich späterer Zeit datirt folgender Ausspruch des Rabbi Akiba: f]X . • • • •'^)nnaX3- Also Rabbi Akiba hat es für nöthig befunden, das der diese Stellen anführt, fügt hinzu: KnrT' mil .T'bTÖ "'S pn:C nar'' n)3«31 ÜV: Kin piy ■'tn T'Btr «"'S n''«"I» Andere minder wichtige talmudische Ci- tirungen s. bei Zuuz a. a. O. und bei Ben Seeb, Einleitung. *) s. Zunz, a. a. O. pag. 34; Herrn. Strack a. a. O. pag. 435 ff. be- streitet, dass Sirach jemals als kanonisch angesehen wurde. Der Schwer- punkt seines Beweisverfahrens liegt in seiner Auffassung der Angabe des Josephus, der den abgeschlossenen Kanon der heiligen Schrift (22 Bücher nach seiner Angabe) gesehen haben soll. Folglich müsste zu oder vor seiner Zeit schon der Kanon festgestellt gewesen sein. Freilich sieht sich Strack genöthigt, zu zwei gewagten Hypothesen seine Zuflucht zu nehmen, einmal, dass das Buch Daniel schon sehr frühe existirt, in der makkabäischen Zeit jedoch Zusätze erhalten habe, dann dass die Rabbiuen, welche aus dem Kopfe citirten, sich etliche Dutzend mal geirrt hätten, indem sie Verse aus Sirach für biblisch hielten ! Allein Josephus' Angabe kann recht wohl mit der Annahme eines erst zu Gamaliels Zeiten erfolgten definitiven Abschlusses des Kanons bestehen. Konnte denn nicht dem Josephus und seinen Zeitgenossen eine Reihe von Büchern vorgelegen haben, die als kanonisch angesehen wurden, ohne dass ein definitiver Beschluss darüber existirt hätte, so dass über manche Bücher wie das Hohe Lied, Koheleth, Sirach sich wohl streiten Hess? — üeber die ganze Frage vgl. insbes. Joel a. a. 0. -) Thos. Jadaj. c. 2; über den Ausdruck vgl. Graetz, Geschichte I[l p. 561 f.-, Koheleth p. 166 f.; Geiger, Urschrift p. 135 u. 146 f. ^) s. u. pag. 15 Anm. 5. *") DTOn bedeutet nicht Homer sondern Tag rj^i^ja also Tagesbücher ", s. Graetz in Frankeis Monatsschrift 1870 p. 138 ff. *) Jer. Sanhedrin 28 a. 15 Lesen in Sirach bei Verlust des ewigen Lebens zu verbieten; sonach nuiss zu seiner Zeit das Buch Sirach noch vielfach für kanonisch gegolten haben. Aber trotz seines Ver- dammungsurtheils wurden noch bis zum Anfang des vierten Jahrhunderts Sprüche aus Sirach ganz wie Schriftverse citirt.') Die babylonischen Amoraim Rab Joseph und Abaje^) eröifnen im Anschluss an die obigen AVorte ßabbi Akiba's eine längere Discussion ■.^) in^p:^ ^K nX:iK XDp:? ^Dl KürtO \S^ ^^DX S"« /-ipSib mos «TD? Nun führt Abaje eine Reihe von Sprüchen an, deren Ueberein Stimmung mit biblischen Versen er nachweist, worauf sich Rab Joseph zurErkläiung genöthigt sieht: |r^n*I .TD n^XT sn^^bUÖ ^h^f2 vh' Der viel später entstandene Midrasch Kohelef*) da- gegen enthält wieder ein scharfes Verdikt gegen Sirach: •^''02 D^]D?2 xin nöinü d^sd t'd^s nnr irr'n l^^n2 D-^JD^n Sd i^h:n pT S^I^D p ^£D ]-\:^.'} Soviel geht mit Sicherheit aus diesen talmudischen Nachrichten hervor, dass die Rabbinen lange Zeit schwankend waren betreifs der Kanonicität Sirachs, und dass der Hagiographenkanon erst in sehr später Zeit definitiv abgeschlossen wurde. Ist dies thatsächlich festgestellt, so macht auch der erste Einwand, betreffs des Buches Daniel, keine erhebliche Schwierigkeit mehr. Daniel tritt unter einem alten ehrwürdigen Namen auf und gibt sich den Anschein, als sei er schon während des baby- lonischen Exils entstanden, während Sirach weder seinen *) vgl. 0. pag. 17 Anm. 3. -) lebten der eine 270-333, der andere 280-388 (p.Cbr.) s. Graetz, Gesciiichte IV pag. 408 u. 411. ^) bab. Sanhedrin 100b. '') vgl. dar. Zunz, a. a, O. pag. 265 f. ■') Diese Bücher nju"? p1 K^Jn p sind sonst unbekannt. Eine Notiz über dieselben findet sich in Wolfs biblia hebraica I p. 931 f.; nniDD "'btt'ö qnibus agitur de calliditiite feminarnm. Praeterea suspicor fere, librutn n'^jn pl T\:vb p non nisi titulo ab hoc Saudabaris libro distingui, ut alter quidem a re alter ab auctore absumtus videatur Eine geistreiche Ver- muthung s. bei Joel a. a. O. 16 Namen, noch seine späte Entstehungszeit verläugnet. Was Wunder also, wenn sich die Rabhinen durch das mystisch alterthümliche Dunkel, in welches sich das Buch Daniel hüllte, irreführen Hessen und es für viel älter hielten als Siraeh? Noch bedarf es einiger kurzen Andeutungen, um das Verhältniss und den Werth der Uebersetzungen des Buches zu charakterisiren. Oben ist schon angedeutet worden, dass das hebräisch geschriebene Original verloren gegangen ist, wofür die griechische Uebersetzung, so sehr sie auch be- müht ist, den Text treu wiederzugeben,') keineswegs ent- schädigen kann. Auffallend ist die grosse Verschiedenheit dieser Uebersetzung von der syrischen, der sogenannten Peschito. Daraus aber den Schluss zu ziehen, dass die syrische Uebersetzung eine leichtfertig hingeschriebene Para- phrase sei, die in Kritik und Exegese nur geringe Dienste leiste,^) ist über alle Maassen ungerechtfertigt. Die syrische Uebersetzung hat sicherlich ebenso wie die griechische aus einem hebräischen (vielfach verderbten) Original übersetzt; das beweist neben vielem anderen die Vermeidung zahl- reicher in der griechischen Version sich vorfindenden Ueber- setzungsfeliler, die der griechische Uebersetzer sich zu Schulden kommen liess.^) Wenig kritisches Material gibt die alte lateinische Version an die Hand, da sie ohne Zweifel aus der griechischen Uebersetzung floss und nur durch Glosseme und Zusätze, die sich aber deutlich als solche ') Ganz vereinzelt steht die Ansicht von Dähne (Greschichtliche Dar- stellung der jüdisch-alexandrinischen Religionsphilosophie II p. 140), der Uebersetzer habe frei geschaltet mit seinem Texte und alexandrinische Elemente hineingetragen, vgl. u. pag. 40 f. ^) s. Fritzsche a. a. 0. pag. XXV. 3) Nur ein Beleg sei angeführt. Sir. 24, 27 übersetzt die Septua- ginta 6 ix(pc^) als auch Peschito (nrc'i::'? in x:n-" ü'C'Ki i"tpsi ^C'fi: ilpL"!) die Uebersetzutig des alteu Verses benutzten. Fritzsche hat dies übersehen; die Uebersetzung von 3jvc!yoj"(oii>j zz>. •fXo)a3y);. oi;vb-f>o)-o; söcppccvöuivo; l-\ -ixvoic, Cwv zcdßXi-ojv i-'. -Ttö^;'. sy 8 pwv. (glück- lich, wer lebt und auf seiner Feinde Fall sieht). ■61 ganze Lehre gipfelt in dem Satze (24, 22): „All dies gilt vom Buche des Bundes des höchsten Gottes, vom Gesetz, das anbefohlen Moses, als Besitz den Gemeinden Jakobs." Formales Verhältniss. ,.Es ist unvei kennbar, dass ben-Sira die salomonischen Gnomen als Muster nachbildete und nicht bloss nach unbe- wusster innewohnender Regel, sondern geflissentlich ihre Schönheiten und Besondernheiten nachprägte.'") Welches sind nun aber die Schönheiten und Besonderheiten der salo- monischen Gnomen? Um diese Frage zu beantworten, ist es nöthig, über die Form der hebräischen Poesie im all- gemeinen einige Worte zu sprechen.-) Bekanntlich besitzt die hebräische Poesie weder Beim, noch Metrum, noch eigent- lichen Eythmus.'') Die Erhabenheit und Würde des Inhalts, die Innigkeit und Kralt der Sprache waren sich selbst genug, und es bedurfte keines äussern Schmuckes und Reizes. Das einzige durchgängige Merkmal des poetischen Ausdrucks ist der Parallelismus der Glieder. Das Verhältniss der beiden parallelen Glieder ist verschiedenartig. Entweder bildet das zweite Glied den Gegensatz zum ersten (antithetischer Parallelismus), oder in jedem der beiden Glieder kommt ein besonderer Gedanke zum Ausdruck, ohne dass der eine zum *) Delitzsch, zur Geschichte der neuhebräischen Poesie pag-. 131. -) s. dar. Ewald, die poetischen Bücher des alten Testamentes I pag. 89, IV pag. 1 — 176; Saalschutz, von der Form der hebräischen Poesie pag. 98 ff.; Delitzsch a. a. 0. pag. 197 ff. und in Herzogs ßeal- Encyclopädie Art. Sprüche. 2) Die Ansichten der alten Rabbinen hierüber s. bei Saalschütz a. a. 0. pag. 86 ff.; Saalschütz sucht a. a. 0. und in tinem späteren Werke : Form und Geist der hebräisdien Poesie, den Nachweis zu liefern, dass die hebräisclie Poesie wolil einen Rythmus besitze. Der Kernpunkt seines Beweisverfahrens liegt in der Hypothese von der Nichtberück- siihtigung des Accentes in hebräischen Versen. — Selbstverständlich ist unter der hebräischen Poesie nur die biblische verstanden, da die neu- hebräische wohl Reim und Metrum besitzt. 32 andern in irgend welcher Beziehung stände (s5mthetisclier Paralielisnius), oder im zweiten Gliede wird der Gedanke des ersten Gliedes mit anderen Worten wiederholt (syno- nymischer Parallelismus), oder die beiden Glieder werden mit einander verglichen und eines enthält den zu vergleichen- den Satz, das andere das Bild (parabolischer Parallelismus)') oder endlich im zweiten Gliede wird der Gedanke des ersten einfach iortgesetzt, meist vermittels subordinirender Con- junktionen (ein gedankiger Parallelismus). Alle diese ver- schiedenen Arten des Parallelismus, der in den Spriichen sowohl, wie bei Sirach durchgehends gewahrt ist, finden sich in beiden Büchern. Ein Beispiel für jede Gattung möge genügen: 1. antithetischer Parallelismus: Spr. 10, 5. Es sammelt im Sommer der verständige Sohn, Es schläft in der Erndte der schandbare. Sir. 13, 3. Der Reiche thut Unrecht *und brummt noch dazu, Der Arme leidet Unrecht und bittet noch dazu. 2. synthetischer Parallelismus: Spr. 22, 1. Vorzüglicher ist Ruf, als grosser Reichthum, Besser ist Gunst, als Silber und Gold. Sir. 6, 13. V(tn deinen Feinden trenne dich Und vor deinen Freunden nimm dich in Acht. 3. synonymischer Parallelismus: Spr. 22, 24. Geselle dich nicht zu dem Zornigen Und mit dem Hitzigen komme nicht zusammen. Sir. 6, 33. Wenn du gern hörst, wirst du lernen, Und w^enn du dein Ohr hinneigst, klug werden. 4. parabolischer Parallelismus: Spr. 10, 26. Wie Essig für Zähne und Rauch für Augen, Also der Träge für die, so ihn senden. ') Delitzsch a. a. O. nimmt als eine besondere Art noch den emble- matischen Parallelismus an, in welchem von den beiden Gliedern das eine einen Verghich enlhält dine vergleichende Partikel vg-1. .Spr. 25, 2r); 11, 2-2. Anch bei Sirach finden sich einige derartige Verse vgl. 18, 15; IG, 21. - 3ö Sir. 18; 10. Wie ein Tropfen im Meere, wie ein Sandkörnlein, Also wenige Jahre im Tage der Ewigkeit. 5. eingedankiger Parallelismus: Spr. 26, 5. Antworte dem Thoren nach seiner Thorheit, Dass er nicht weise sei in seinen Augen. Sir. 25, 3. Hast du nicht gesammelt in der Jugend, Wie kannst du Weisheit erlangen im Alter? Am häufigsten finden sich in Sii'ach die drei letzten Arten des Parallelismus, während besonders die erste Art ungemein selten in seinen iSpriicben anzutreffen ist. Auch von den salomonischen Sprüchen waltet nur in der ältesten Sammlung (Capitel 10, 1 — 22. 16) der antithetische Paial- lelismus vor, der von vielen für die ursprünglichste und poetisch-kräftigste Art desselben angesehen wird.') Was den Strophenbau betrifft, so lässt sich nicht ver- kennen, dass in Sirach. schon vermöge der oben angedeuteten Gruppii'ung von Sprüchen,^) ein ziemlich symmetrisches Gleichmaass innerhalb einzelner Gruppen vorherrscht. Zwar vermochte die genaueste Zählung und Zusammenstellung der einzelnen Verse nicht zu der Entdeckung zu führen, dass im ganzen Buche eine genaue Strophengliederung eingehalten wurde,^) wohl aber zu einzelnen ganz überraschenden Resul- taten, wie man aus folgender Zusammenstellung ersieht. Gleich das erste Kapitel sondert sich deutlich in ein- zelne Gruppen von bald 2, bald 3 doppelgliedi'igen Versen in dieser Aufeinanderfolge: 3, 2, 3, 3, 2, 2, 2, 2, 3, 3, 3, 2.*) Aus ganz regelmässigen Strophen zu je drei Versen besteht *) So Ewald a. a. 0. IV pag 5 und Bruch a. a. 0. pag. 273, s. dag. Delitzsch in Herzogs Real-Encyclopädie Art, Sprüche. -) s. 0. pag. 29. ^) Aehnliches vermuthete Fritzsche a. a. O. pag. XXVII; Ewald, (Jahrbücher der biblischen Wissenschaft 1848) theilt das 24. Cap. in regelmässige Strophen zu je Versen, zu welchem Zwecke er aber viele gar nicht im Text befindliche Verse hinzudichten muss. '') Die Peschito hat nach Vers 18 u. 21 je einen überzähligen Vers. 3 34 das zweite Kapitel. Dass dies nicht willkürliche Annahme sei, mag eine strophisch gegliederte Zusammenstellung der Verse 7 — 17 beweisen: Die ihr den Herrn fürchtet, harret auf sein Erbarmen, Und weichet nicht ab, damit ihr nicht fallet. Die ihr den Herrn fürchtet, vertrauet auf ihn, Und euer Lohn wird nicht verloren gehen. Die ihr den Herrn fürchtet, hoffet auf Gutes Und auf ewige Wonne und auf Erbarmen. Blicket hin auf frühere Geschlechter und sehet, Wer vertraute dem Herrn und ward beschämt? Oder wer ehrfürchtete ihn und wurde verlassen? Oder wer flehte zu ihm, und er hätte ihn übersehen? Denn erbarmend und mitleidig ist der Herr, Vergibt Sünden und rettet in der Zeit der Gefährdung. Wehe feigen Herzen und lässigen Händen Und dem Sünder, der wandelt auf zwei Wegen. Wehe dem schlaffen Herzen, dass es nicht vertraut. Darum wird es nicht beschirmt werden. Wehe euch, die ihr verlöret das Vertrauen, Und was werdet ihr thun, wenn der Herr heimsucht? Die den Herrn fürchten, werden nicht abfallen. Und die ihn lieben, halten seine Wege inne: Die den Herrn fürchten, werden suchen sein Wohlgefallen, Und die ihn lieben, werden voll des Gesetzes. Die den Herrn fürchten, bereiten ihre Herzen Und vor ihm demüthigen sie sich. Daran reihen sich noch, wie im ersten Kapitel und häufig in diesem Buche, zwei kleinere Schlussverse. Interessant ist auch der Anfang des dritten Kapitels. Hier wird eine Versgruppe von sieben Gliedern eingeschlossen von je zwei unter sich correspondirenden Versen, wie folgendes' Schema zeigt : 35 Auf mich, den Vater, höret Kinder Und thuet also, damit es euch wohleigehe. Denn der Herr gab Ehre dem Vater von seinen Kindern Und der Mutter Macht über ihre Söhne; Wer den Vater ehrt, sühnt Sünden, Und Schätze sammelt, der die Mutter achtet. Wer den Vater ehrt, den lieben seine Kinder Und am Tage seines Betens wird er erhört. Wer den Vater achtet, wird lange leben, Und der Gotttesl'ürchtige erquickt seine Mutter. ') Durch That und Wort ehre deinen Vater Dass Segen über dich komme durch ihn; Denn des Vaters Segen baut den Kindern Häuser Und der Mutter Fluch reisset sie um. Derartige Beispiele lassen sich noch in Masse häufen. Die grösste Schuld an der Zerstörung jedes augenschein- lichen Zeugen der oft so kunstvollen strophischen Gliederung trägt die heutige wenig rationelle Kapiteleintheilung, welche zusammengehöriges auseinandergerissen und vieles zusammen- gestellt hat, was weder dem Sinne noch der Form nach zu- sammenpasst. Ein deutlicher Einschnitt lässt sich nicht verkennen Cap. 4, 1 1 und Cap. 6, 7 ; innerhalb dieses sind kleinere Abschnitte zu konstatiren 4, 19 und 6, 4. Vergleicht man nun diese dem Sinne nach sich von einander abheben- den einzelnen Stücke, so findet man, dass auch der Strophen- bau jetzt ziemlich gleichmässig ist. Das Stück 4, 11 — 4, 19 zerfällt in 2 Strophen zu je 5 Versen; das grosse Stück 4, 19—6,4, welches aus lauter Warnungen besteht, zerfällt in 9 regelmässige Strophen zu je 3 Versen; die letzten 15 Glieder lassen sich nicht in eine Stropheneintheilung bringen, und last möchte man sich zu dem Schluss geneigt *) Iiu vatikanischen Text folgt ein überzähliger Vers, der in andern griechischen Handschriften und beim Syrer vermisst wird x«'. w; ösoTtoxai; oou/wsySit iv 'Ol; pvvyjaaavv «utöv. 3* 36 fühlen, eine Textescorruption anzunehmen.*) Endlich bildet die Gruppe von Cap. 6, 4 — 6, 16 vier deutlich geschiedene Strophen zu je 3 Versen. Nur die letzte »Strophe hat einen überzähligen Vers. Das ganze Buch in dieser Weise durch- zugehen, dafür ist hier der Platz nicht; auch genügen ja die angeführten Beispiele zur Bestätigung des oben ge- sagten. Von solcher bewussten Kunst des Strophenbaues findet sich in den salomonischen Sprüchen nicht leicht eine Spur. Dagegen kommt es häufig vor, dass in beiden Spruch- Sammlungen eine Reihe von Versen strophenartig zusammen- gestellt ist, die in sich einen Abschluss finden, bald als ans- geführteres Gleiclmiss, bald als Zahlenspruch, bald als Steigerungsspruch :^) Spr. 25, 4f. Man schaffe die Schlacken wm Silber weg, So geht dem Goldschmied ein Gefäss hervor, Man schaffe die Gottlosen weg vom König, So steht fest durch Gerechtigkeit sein Thron. Spr. 6, 16ff. Sechs Dinge sind's, die der Ewige hasset, Und sieben sind ein Gräuel seiner Seele: Hochmüthige Augen, falsche Zunge Und Hände, die menschliches Blut vergiessen; Ein Herz, das Unheilgedanken brütet, Füsse, die eilen, zum Bösen zu laufen. Wer Lügen verbreitet als falscher Zeuge Und wer zwischen Brüdern Zank stiftet, (vgl. 30, 15—32). ') Die syrisclien Handschriften sind in grosser Verwirrung; doch in sämnitlichen fehlt das dem griechischen w-ioz u ö.\i.v.rj-w\hz u oi^Xtua^o; entsprechende Glied. Dieses aber scheint wörtlich aus 5, 9 entlehnt zu sein. Dem griechischen fünften Gliede iv tizyjXw y.rA iv \iv/.(m<> h/j «(vost y.rA dvv. w'.hj'j jxy; (ivo'j iybf>ö; entspricht das syrische miDn S"? ^Wn "'30 «NiD Xinn vh Xlsm ^hn\ das jedoch in mehreren Handschriften an der Stelle sich hefiudet, die dem griechischen ojTdj; 6 aiic^f/xioXö; xxs ent- spricht. Ohne dies letztere und das fünfte Glied erhält man zwei drei- versige Strophen, wie oben. -) 8. Delitzsch a. a. O.; Dukes, rabbiniscUe Blumeulese pag. 36. 37 Sir. 11. 2 f. Preise den Mann nicht ob seiner Schönheit Und missachte ihn nicht ob seiner Gestalt: Klein ist die Biene unter den Thieren mit Flügeln, Und ihr Erzeiigniss ist die süsseste Süssigkeit. Sir. 40, 20 ff. Wein und Musik erfreuen das Herz, Doch mehr als beides die Liebe zur Weisheit;') Flöte und Harfe spielen schöne AVeisen, Doch über beides geht eine liebliche Sprache. Sir.26,19ff. Ueber zweierlei ist meine Seele betrübt Und beim dritten fasst mich Zorn. Beim Mangel des Kriegers, bei Verachtung der AVeisen ; Doch wer sich von der Tugend zur Sünde kehrt, Den wird der Herr mit dem Schwerte heimsuchen, (vgl. 23, 16ff.; 25, Iff., 7if.; 26, 5f.). In der Anordnung des »Stoffes scheint sich Sirach ganz das alte Spruchbuch zum A^orbild genommen zu haben. Wie in diesem geht bei ihm den einzelnen Sprüchen eine mehr zusammebhängende Abhandlung als Einleitung voraus, und am Schlüsse finden sich wieder grössere zusammengehörige Stücke, bei Salomon die kleinen Schilderungen Agurs, die Königsregeln Lemuels und das alphabethische Loblied auf ein wackeres Weib, bei Sirach die Darstellung des Waltens Gottes in der Natur und der Geschichte Israels. Viel grössere Selbstständigkeit zeigt Sii'ach hinsichtlich der Sprache und der Diktion. Sein Styl ist ungemein belebt, mannig- faltig und bilderreich ; unaufhörlich wechselt Ermahnung und Warnung, Gebot und Verbot, direkte und indirekte Kede, Sentenz, Schilderung, Erzählung; unerschöpflich ist er in der Form rhetorischer Einführung: bald durch Frage,^) bald durch Ausruf, bald durch Anrede leitet er über zum neuen Gegenstande. Dabei wechselt mit der Verschiedenheit des *) Im syrischen lautet die zweite Vershälfte : Köri"i1 nnjöhn MDÖ KStöl doch mehr als beides die Liebe eines Freundes. -) Unbegreiflich ist Eichhoru's Aeusserung (a. a. 0. pag. 60), Si- rachs Darstellung gehe selten in Fragen und Ausrufungen über; nur 38 Stoffes auch die poetische Sprache; einmal erhebt sie sich zum dithyrambischen Schwünge, das andere Mal sinkt sie fast zur nackten breiteintönigen Prosa herab, je nachdem der Gegenstand lyrischen oder didaktischen Charakters ist; niemals aber wird sie trocken und trivial. Neben diesen unläugbaren Vorzügen gegenüber den Sprüchen Salomons, entbehrt die siracidische Spruchsammlnng hinwiederum der reizenden Naivität, der natürlichen Frische, der pointirten Schärfe, der markigderben Kernhaftigkeit, der Laune und des Humors der alten Sprüche. einige Stellen aus der reichen Menge seien angeführt-, für Fragen 2, 10 ff. 10, 9: 10, ]9-, 12, 13-, 13, 2; 14, 3; 5", 10, 15 ff,; 17, 22; 26; 18, 3 ff . 18, I5f.; 22, 12; 23, 18; 25, 11; 28, 4f.; 34, lOff.; -36, 7; 31, 23ff. 36, 31; 37, 3; 38, 5; 42, 25; für Ausrufungen 2, 12 ff.; 14, If.; 14,20f. 17, 24; 25, 8 ff.; 28, 19; 34, 19; 42, 22. Religiöse Zustände und Stimmungen. Die religiösen Aussprüche imd Reflexionen Sirachs wurzeln ganz in den religiösen Anschauungen und Stim- mungen seiner Nation und geben ein getreues Spiegelbild der damals herrschenden Zustände. ') Darum kann man auch jede seiner Aeusserungen ohne weiteres als Aeusserungen des damaligen jüdischen A^olksgeistes und Volksglaubens betrachten. Daneben mögen manche Sprüche auch dem Zwecke gedient haben, herrschende Untugenden und Laster zu geissein und zur Besserung aufzufordern. Denn man darf nicht ausser Acht lassen, zu welcher Zeit das Werk entstanden ist. ,,Der Gesichtskreis der Judäer, wenigstens derer in Jerusalem, hatte sich erweitert durch die Berührung und den Verkehr mit Griechen .... die Sitteneinfalt litt durch den plötzlichen Umschwung eine unerfreuliche Ein- busse von Alexandrien drang der verderbliche Einfluss der Lehre Epikurs nach Jerusalem, und man fing auch hier an zu grübeln und sich über die Lehre des Juden- thums hinwegzusetzen.''^) Einige wollten sogar in Sirach selbst alexandrinische Elemente entdeckt haben und bezeich- neten viele Stellen als rationalistisch und von griechischer Philosophie beeinflusst,-') sicher aber mit Unrecht. Vor allem ') s. Jost, Geschichte des Judenthums I pag. 300 ff. -) Grraetz, Geschichte der Juden IIb. pag. 251 ft',; vgl. Jost a. a. 0. pag. 312. ^) So vor allen tjfrörer, Philo und die alexandrinische Theosophie II pag. I8ff. ; Dähne, geschichtliche Darstellung der jüdisch-alexandrlnischen Religionsphilosophie II pag. l-llff.; s. dag. Ewald, Geschichte des Volkes 40 war es der Begriff der AVeislieit,') in welchen man alles mögliche und unmögliche hineingelegt hat. Dem einen ist die Weisheit ein von Gott unterscheidbares Priucip seiner ewigen Wirksamkeit,^) dem andern ein etwas neben Gott existirendes, ein Mittelding zwischen Personifikation und Hypostase,') dem dritten endlich ist sie eigentliche Hypostase*) oder gar gleichstehend dem alexandrinischen Logos, ^) "Weitere Stellen, die auf griechischen Einfluss hinweisen sollen, sind folgende : Sir. 17, 17: Jedem Volke setzte er einen Engel vor, aber des Herren Antheil ist Israel;^) ferner 44, 16: Henoch gefiel dem Herrn und ward in den Himmel versetzt, ein Beispiel der Busse für die Geschlechter;^) 24, 12: Und ich Israel IV^ pag. 303ff.; Graetz iu Frankeis Monatsschrift 1872 pag. 104ff.-, bes. Freudenthal, die Flav. Josephus beigelegte Schrift über die Herr- schaft der Vernunft pag. 38 und hellenistische Studien pag. 74. ') vgl. dar. 0. pag. 21 und Bretschneider, systematische Darstellung der Dogmatik der Apocryphen des alten Testam. pag. 228 ff. ; Umbreit, Commentar über die Sprüche Salomons pag. LI", Bruch a. a. 0. pag. 284—319-, Oehler, die Grundzüge der alttestamentlichen Weisheit in den Tübinger Universitätsschriften 1854. ■'') so Bruch a. a. 0. pag. 288. ^) Langen, das Judenthum in Palästina zur Zeit Christi pag. 253. '') Gfrörer a. a. 0. '") Frank, Kabbale pag. 333 f. ; s. dag. Herzfeld a. a. 0. III pag. 413 und Joel, Religionsphilosophie des Sohar pag. 369 ff. '') Ueber diesen Vers ist viel geschrieben worden. Die richtige Auffassung tindet sich wohl in Sachs, Beiträge zur Sprach- und Alter- thumsforschung II pag. 148, woselbst gesagt ist, dass an dieser Stelle die Anschauung hervortrete, dass die heidnischen Völker jedes im Himmel seinen Fürsten habe, während Israel der Antheil Gottes sei (5. Mos. 32, 8). „Diese Anschauung ist denn auch in die Agadah übergegangen: Gott stürze nicht eher eine Nation, als bis er den über sie waltenden Himmels- fürsten gestürzt." ') 'j-öoc-Y(j.c< nz-aW.a- steht im griechischen, das soll philonisch sein, eine Allegorisirung der Busse vgl. Gfrörer und Dähne a. a. 0.; auch Frankel, Einfluss etc. pag. 44 neigt zu dieser Ansicht und hält den Vers für interpolirt; Geiger, Urschrift pag. 197 f. übersetzt: als Vorbild der Siunesbesserung für die kommenden Geschlechter (diese sollen besser, so 41 fasste Wurzel im gepriesenen Volke, im Theile des Herrn, seinem Besitze.') Es Hessen sich noch mehr solcher Stellen anführen, doch ist deren vermeintliche Beweiskraft schon längst er- schüttert worden. Im einzelnen ist nun das Bekeuntniss des von Sirach vertretenen Judentliums folgendes:^) Gott ist das absolut höchste,') vollkommenste Wesen; er ist Schöpfer, Regierer und Erhalter des Alls (33, Iff.; 50, 22; 43, 28. 29). Zu den Eigenschaften der Voll- kommenheit rechnet Sirach die Einheit (33, 5), Ewig- keit (39, 20), reine Geistigkeit (33, 31),"*) die Allmacht (39, 18), Allgegenwart (43, 27), Allwissenheit (15, 18), All- weisheit (1, 1 f.), Allgüte (2, 18), Allgerechtigkeit (32, 12), Allheiligkeit (15, 13). Dem Preis und der Verherrlichung Gottes als Schöpfer der Natur und Leiter der menschlichen Geschicke ist der ganze letzte Abschnitt des Buches von Cap. 42 bis Cap. 50 ge- widmet, in welchem Sirach ein begeistertes Loblied anstimmt auf Gott,' der sich so herrlich und wunderbar in der Natur und der Geschichte des Volkes Israel geoifeubart. Wie verhält sich aber Sirach zu den schwierigen Pro- blemen, welche die Annahme einer allweiseu und allgütigen Regierung Gottes oder Vorsehung ergibt, wie spricht er gut wie Henoch werden). Dag. macht Fritzsche z. St. mit Recht geltend, dass dieser Sinn nicht in den Worten liege", Henoch selbst muss ge- sündigt haben. ') vgl. Dähne a. a. 0. pag. 141 f. -) Zum folgenden vgl. Bretschneider, über Jesu Siracidae, excursus IV und V; systematische Darstellung der Dogmatik der Apocryphen des alten Testaments; Merguet, die Glaubenslehre des Buches Sirach (im Programm des Königsberger Gymnasiums 1874); Stäudlin, Geschichte der Sittenlehre Jesu I pag. 385 ff. ^) Häufig findet sich bei Sirach der Ausdruck utj^iaxo; für das he- bräische ]vhv; vgl. dar. Geiger a. a. 0. pag. 33. *) Fritzsche scheint die Verse 27— -32 des 43. Cap. übersehen zu haben, wenn er meint (a. a. 0. pag. XXXIII), zur reinen Geistigkeit Gottes hätte sich Sirach nicht erheben können. 42 sich aus über AVillensfreiheit und Vergeltung, wie erklärt er das viele böse, das in der AVeit herrscht? Zunächst den letzten Punkt betreffend, geben die folgenden Verse deutlich die Ansicht des Dichters zu erkennen: 39, 16. Alle Werke des Herrn sind sehr gut Man darf nicht sagen: Was ist dieses und warum? Das Gute ist für die Guten geschaifen von je, So auch das Schlechte für die Bösen. Es gibt Winde, die zur Strafe geschaffen sind, Blitz und Hagel und Hungersnoth und Sterben Wilder Thiere Zähne, Skorpionen und Nattern Und das Schwert, das an den Sündern Rache nimmt. 41, 10. Wider die Gottlosen ist all dies geschaffen, War ja auch ihretwegen die Sintfluth. Ueber menschliche Willensfreiheit äussert sich Sirach folgendermassen: 15, 15. Gott schuf von Anfang an den Menschen Und überliess ihn (dann) seinem Rathschluss. Wenn du willst, hältst du die Gebote, Und treu zu sein, ist dii- anheimgestellt; Feuer und Wasser hat er dir vorgelegt. Wohin du magst, kannst du die Hand ausstrecken. Vorgelegt ist den Menschen Leben und Tod. Tiefer dringt er nicht in die Schwierigkeit ein und warnt auch andere vor allzuvielem Grübeln: 3, 21. Was dir zu schwer ist, dem gehe nicht nach. Und was über deine Kraft ist, erforsche nicht, 43 Was dir vorgeschiiebeu, darauf denke. ^) Schwieriger ist die Lösimg des dritten Problems , warum es den Guten oft so sclilimm, den Frevelhaften oft so gut auf Erden gehe. Glaubt Sirach an eine Vergeltung nach dem Tode, an eine Auferstehung? Sicher ist, dass das sopherische Zeitalter, dem Sirach angehört, mit Gier den aus der Religion des Zoroaster in das Judenthum übergegangenen Glauben mit allen seinen zauberischen Voi*spiegelungen und phantastischen Ausmalereien der zukünftigen AVeit aufgriff und ausbildete. Die Engel- und Dämonenlehre, Paradies und Hölle wiu'den Glaubensartikel im Judenthum.^) Findet sich davon eine Spur in Sirach? Viele haben diese Frage mit ja beantwortet, aber die Stellen, welche sie zum Belege an- führen, sind zweifelhaft genug.'') Eine Stelle, die ausdrücklich vom Leben nach dem Tode, ja auch nur von der Unsterb- lichkeit der Seele handelt, findet sich unter Sirachs Sprüchen nicht, dagegen viele Sprüche, welche die Vergänglichkeit des Menschen betonen und sein völliges Aufhören nach dem Tode des Leibes in nackten Worten ausdrücken (40, 11; 14, 16; 17, 27; 11, 19; 28, 23 u. s. w.). Von Engebi ist an zwei Stellen die Rede (48, 21 und 17, 14) von Dämonen 301, TcrOta ö'.ovooü-, im Talmud (Chag. 16 a.) wird diese Stelle fast wörtlich angeführt, ebenso im Midrasch rabba, woselbst sie eingeleitet wird mit den Worten: ".Jzi^ ktd ll: QVl "i:i?bK '"i Das übersetzt Eichhoni a. a. O. pag. 79 (ebenso Berthoki, Eiul. in das alte und neue Testament) : „unter dem Namen R. Eleazar Ben Sira wird angeführt'' etc. ! Wunder genug, dass Eichhorn nicht iu Folge dessen auf den Einfall kam, Josua ben Sira in Eleasar ben Sira umzuAvandeln. — Zu dem oben angeführten Satze vgl. noch Graetz, Gesch. IIb. pag. 255 u. Anm. das. ^) s. dar. Graetz a. a. 0. pag. 204 ff. ^) s. Herzfeld a. a. 0. III pag. 296 ff.; Langen a. a. O. pag. 342 u. 462. Eine einzige Stelle 48, 11 xcl yip v^jist; Cmr^ Cv;aoaif>c( könnte mit Recht als Beleg dafür augeführt werden, dass Sirach an eine Auferstehung geglaubt. Aber schon Bretschneider, System etc. pag. 352 hält die Stelle für ein späteres Einschiebsel; Fritzsche (z. St.) deutet sie messianisch ; vgl. auch Geiger, Zeitschrift der DMG pag. 588. 44 nii'gends.') Vou einer messianisclien Stelle ist gewiss keine Spnr in Sirach zu finden.^) Ja einige Sprüche finden sich in seinem Buche, die gleichsam als Consefiueuz seiner Nicht- annahme der Auferstehung betrachtet werden können, Sprüche, die zu heiterm ungetrübten Lebensgenuss autfordern, er- innernd an den Schiller'schen Vers : Morgen können wir nicht mehr, darum lasst uns heute leben. 14,11. Entziehe dich nicht einem guten Tage, Und lass dir erlaubten Genuss nicht entgehen. Wirst du nicht dein Erbe andern hinterlassen, "Wofür du gearbeitet, zur Vertheihmg durch's Leos? Gib und nimm und stimme freudig dein Herz, Im Grabe gibt es keine Freude mehr.^) Mit der Lösung der Frage aber nach Ausgleichung der Ungerechtigkeit in der Welt beschäftigt sich Sirach nicht viel.*) Seine Auskunft ist eigentlich die denkbar einfachste und leichteste, die es gibt; denn er läugnet geradezu die Ungerechtigkeit: ') 21, 27 wird der Satan erwähut: iv -zw y.axc/.pdaba'. y'V''- Herzfeld a. a. O. pag. 299 hält diese Stelle für eine rationalistische Polemik gegen diejenigen, welche dem Satan den Anreiz zur Sünde zuschrieben. Luther (über dessen Uebersetzung zu vergleichen ist W. Grimm in der Z S für wissenschaftl. Theol. XV pag. 251 ff. und Conz in Henke's Museum für Religionswissenschaften 11) übersetzt •. Wenn der Gottlose einem Schalk flucht, so flucht er sich selber. -) Ewald, Gesch. IV- pag. 299 ff. erklärt die Stellen 4, 15; 10, 14f.-, 16, 5; 32, 17 f.-, 33, 1 ff.; 36, 17 ff.; 37, 25; 39, 23; 24, 25; 48, 15 f. für messanisch; die meisten dieser Stellen werden unten noch besprochen. •') vgl. die talmudische Stelle (Erubin 53 a.) irh 3^ rrh nöi< DK1 nanünnt mö'? pxi r.jrn hwai px •'d "i"? a''tD\n ^b ty öS ■^^n N:i3ön pS^lD ibbm p^^"!3 l'^bn. Von Sirachs Zeitgenossen, Simon dem Gerechten, wird an verschiedenen Stellen im Talmud berichtet, dass er ein Feind aller Nasiräatsgelübde gewesen sei und an den Opfern der Nasiräer keinen Antheil genommen habe. Nur eine einzige Ausnahme erzählt der Talmud Nasir 4 a. Nedarim 9 b. u. öfters ; siehe die Erzählung auch bei Graetz a. a. O. p. 241. ") Nur im zweiten Capitel scheint er einen Lösaugsversuch anstellen zu wollen, indem er die Leiden als Mittel der Prüfung und Läuterung 45 11,24. Leicht ist es dem Herrn, Am Tage des Todes') dem Menschen zu vergelten. Eine Stunde Leid macht das Wohlleben vergessen. Und am Ende werden des Menschen Werke offenbar. Vor dem Tode preise Niemanden glücklich, Und in seinen Kindern wird der Mann erkannt.^) (vgl. 14, 11 ff.). Von der Erscheinung der äussern Dinge, von der Schöpfung der AVeit und des Menschen, von dessen Natur und Bestimmung hat Siracli die althergebrachten biblischen Anschauungen. Einige besonders interessante Stellen seien hier hervorgehoben. Nach Cap. 43, 14 erscheint der Himmel als festes Ge- wölbe mit Vorrathskammern, in welchen Schnee und Wolken und Blitze und Winde aufgehäuft sind (vgl. 5. Mos. 28, 12; Hiob 38, 22; Jer. 10, 13 u. 51, 16). Ob der Ausdruck 16, 16 der Himmel und des Himmels Himmel auf die rabbinische Vorstellung von mehreren Himmeln über einander anspiele, ist zweifelhaft.'^) Eine scheinbare Abweichung von der biblischen Ueberlieferung findet sich Cap. 46, wo von Josua die Rede ist. Vers 4 lautet: Ging nicht rückwärts die Sonne, und ward nicht ein Tag zu zweien?*) Dem Monde erklärt. Das ist die Ansicht von Ben Seeb in seinem Commentar zum Anfang des zweiten Capitels: n^tonnS niitrsin ntt?-iB3 Dsnn onpnu; •'sbi p^'-iiih DO pn^ 'D nnnKt:' nsy-isn nmnb X2 i;aD "ntr^inbi 'n ■'Ki'''? mio bs ') Hier ist selbstverständlich nicht vom Leben nach dem Tode die Rede, sondern der Sinn ist: bevor man stirbt, selbst noch in der Todes- stunde. In der Peschito fehlt der Ausdruck. -) Ueber diesen Vers s. u. pag. 46 f. ^) vgl. Gesenius, Wörterbuch s. v. D^ött?» Luther übersetzt: der ganze Himmel allenthalben. o'Jo; die Peschito hat Cp (entsprechend dem hebräischen OTT') die Vulgata impeditus est, was mit der Erzählung in Josua übereinstimmt. Der zweite Halbvers entspricht sachlich vollständig dem bei Josua erzählten 46 schreibt Sirach (43, 6) die Eigenschaft zu, als Zeichen der Zukunft zu dienen, während sich sonst kaum eine aher- gläubische Stelle in seinem Buche findet. Ja, er warnt vor Aberglauben : 31,6- Wahrsagungen und Vorbedeutungen und Träume sind nichtig Richte nicht dein Herz auf sie; Denn viele haben Träumereien irregeführt, Sie hofften auf sie und gingen verlustig der Hoffnung. Heber die Stelle 36, 7 ff.: Warum ragt ein Tag vor dem andern hervor etc., in welcher man die von der zoro- astrischen Religion überkommene Lehre vom Gegensatz er- blickte,') wird weiter unten die Rede sein. Cap. 25, 23 heisst es: Von einer Frau kommt der Anfang der Sünde und ihrethalben sterben wir alle. Dass hier nicht von der Erbsünde die Rede sei, ist klar;-) Sirach hält sich einfach an den Sinn der biblischen Erzählung. In der oben an- geführten Stelle 11, 24 ff. lautet der letzte Vers: Vor dem Tode preise Niemanden glücklich, und in seinen Kindern wird der Mann erkannt. Man versteht Anfangs nicht recht, wie die letzte Hälfte hierher passt; darum wollten einige sogar anders lesen ;^) vergleicht man aber z. ß. Cap. 41, 6: diis Erbe der Kinder von Grottlosen geht unter, und die Nachkommen derselben werden allemale beschämt, so erkennt man, dass in diesen Versen eine Anspielung auf die Lehre von der Uebertragung der Schuld von Eltern auf Kinder enthalten sei. Hergang-, es heisst dort (10, 13; ü''ön DV3 «"'Sb fS xbl d. h. fast eineu zweiten ganzen Tag. ^) vgl. Graetz, Gnostizismus und Judentimm pag. 120 ff.; dort hält Graetz die Stelle für ein Einschiebsel ; später urtheilt er anders, worüber u. pag. 54 u. 59. -) s. FritKSche z. St. ^) s. Bretschueider z. St. 47 Die Sittenlehre Sirachs ist sehr rein und edel; höchstens könnte man sich an wenigen Stellen stossen, an denen der Weltklugheit zu sehr das AVort geredet wird, z. B. 3, 29; 7, 35; 9, 6; 12, If.; 18, 30; 29, 3 f . ; 29, 11 ff.; 27, 30f. — Ein anderer Tadel, der Sirach gemacht wurde, bezieht sich auf Aeusserungen der Unversöhnlichkeit und Härte gegen Feinde. Als hierher gehörig werden citirt Cap. 33; 25, 7; 12,10ft\; 30,6.') Doch verschwindend klein ist die Anzahl dieser Stellen, die aus dem, angesichts der Demüthigung Israels und der Ausschreitungen der Feinde momentan aufbrausen- den Gemüthe des Dichters, hervorzuquellen scheinen, gegen- über den erhabenen Lehren der Moral und Sittlichkeit, an den'en sein Buch überreich ist. Zwei Tugenden insbesondere wird er nicht müde zu preisen D^*1Dn mS''!23 werkthätige Hilfs- leistung und npl"^ Almosenspenden, Tugenden, die beim israelitischen Volke tief in's Leben eingedrungen, die nicht bloss auf dem Papiere standen als erhabene Sentenz, sondern geübt wurden mit warmem Herzen und mit starkem Arm^) (vgl. Sü\ 28, 1 f ; 10, 6; 4, Itf.; 7, 32 ff.; 12, 1 ff.; 18, 14 ff. und besonders 17, 17, an welcher Stelle als Gegensatz der Sünde nicht die Tugend überhaupt, sondern khoiioa'jurj hervor- gehoben wird) Der Lieblingsgedanke der jüdischen Nation, der sich nach der Rückkehr aus dem Exil erst ausgebildet hatte, däss Gott Israel aus allen Völkern erkoren habe, findet auch bei Sirach vielstimmigen Wiederhall, besonders im 33. und 24. Kapitel.'') Im letzteren wird mit poetischer Begeisterung geschildert, wie die Weisheit die Welt durchwandert habe nach einer Ruhestätte; da, so führt sich die AVeisheit selber ein, Da gebot mir der Schöpfer aller Dinge, Der mich schuf, verlieh Ruhe meinem Zelte; *) s. Bruch a. a. 0. ') s. Graetz, Gesch. IIb. pag-. 177. ^) Eine prachtvolle Rückübersetzung' dieses Capitels von Wessely findet sich b^V^ p IL Einl. fol. 15 b. 48 Nimm Wohnung, sprach er, in Jakob, In Israel nimm Besitz. Beim Uranfang schuf er mich seit Ewigkeit, Und in Ewigkeit werde ich nicht aufliüren. Im heiligen Stiftszelt diente ich vor ihm. Dann hab' ich mir Stätte gegründet in Zion, In der geliebten Stadt verlieh er Euhe mir, In Jerusalem ist meine Herrschaft. So fasst' ich Wurzel im gepriesenen Volk, In Gottes Antheil und Besitz. Nun folgt eine Menge wundervoller Bilder, die alle der Verherrlichung der in Jerusalem thronenden Weisheit gelten; dann heisst es Vers 22 weiter: » All dies gilt vom Buche des Bundes des Höchsten, Vom Gesetz, das anbefohlen Moses als Besitz der Gemeinde Jakobs. Darin besteht also die Auserwähltheit Israels, dass ihm vor allen Völkern das Gesetz gegeben ward, und dadurch kann es seinen Vorzug bewähren, dass es treu dem Gese-tze anhängt. So führt die Auserwählung, der Bund Gottes mit Israel, welcher gipfelt in den Worten der Schliff: Ihr sollt mir ein priesterlich Reich sein und ein heiliges Volk (2. Mos. 19, 6), ohne Zwang zu den speziellen Vorschriften und Ge- bräuchen der israelitischen Religion hinüber. Der Gottesdienst bestand damals in Opfer und Gebet. Sirach legt grosses Gewicht auf die Darbringung von Opfern vgl. 14, 11; 32, 6ff.; 38, 11; doch Opfer, die bestimmt sind, Gott gleichsam zu bestechen, Straflosigkeit sich durch die- selben zu erkaufen, sind verwerflich (7, 9; 32, 12); das beste Opfer bringt Gott der, welcher seine Gebote hält, vgl. 32, 1. Wer das Gesetz hält, opfert viele Gaben, Dankopfer bringet, wer an's Gesetz sich hält; Wer Dank vergilt, bringt Speiseopfer. Gott wohlgefällig ist, von Schlechtigkeit abstehen, Von Frevel lassen, ist Versöhnung. 49 Vor leicMsinnigen Gelübden (18, 22) und Scliwüren (27, 14; 23, 9 ff.) warnt er aufs allereiudiinglichste, doch schärft er ein, Gelübde, die man gethan, ja nicht aufzuschieben (28, 21). Fasten und Kasteiungen ohne wirkliche Besserung haben keinen Werth (81, 5 f.). In gleicher Weise spricht Sirach vom Gebete; es ist an sich gut und ein Mittel zur Ver- söhnung (32, 13 ff.; 38, 9; 7, 10). Aber Gebet ohne De- rauth, ohne wirkliche Besserung nützt nicht (31, 26).') Eigen- thümlich ist die Warnung 7, 14 : Wiederhole nicht die Worte in deinem Gebete.-) Das Tischgebet wii'd erwähnt 35, 13. Von speziellen Religionsvorschriften und Ceremonien ist nur wenig die Rede. Eine Stelle (36, 7 ft',) handelt von Sabbath und Festtagen: Warum ragt ein Tag vor dem andern hervor, Kommt doch jeglichen Tages Licht von der Somie? Durch des Herrn Weisheit wm^den sie unterschieden, Und er macht verschieden Zeiten und Feste: Von den Tagen erhöhte und heiligte er welche. Reinigung nach Berührung eines Leichnams (31, 25), siebentägige Trauerzeit um denTodten (22, 12; vgl. 38, 17),^) Freilassung des Sklaven (7, 21) sind auch nur nebenbei erwähnt. Von Priestern liingegen spricht Sii'ach sehr oft und fordert auf zur Entrichtung des Zehnten und der Tempel- abgaben. 7, 31. Fürchte den Herrn und ehre den Priester Und gib ihm seineu Theil, wie dir befohlen: ') vgl, Mischna Joma 8, 9 : pp'ECÖ J"« 2irK1 ^'JiVtH niC'KI «DnK ni21Xn ': -iS2)2 Dms3n nr ps isdö cme:,-i nn sanK „ir'.tri nirrb n"2. -) Hierher gehört Tielleicht der Ausspruch Mischna Berachoth 5, 3 inK j'pnrü a'TiO D'TQ "i^'Kn, der freilich von der Gemara anders auf gefasst wird. ^) An der ersteren Stelle werden 7, an der zweiten 1 oder 2 Tage als Trauerzeit genannt. Frankel, Einfluss etc. p. 53 u. 159 Anm. be- zieht die 7 Tage auf häusliche, die 2 Tage auf äussere Trauer (Leichenreden). 4 50 Erstlinge') und Schuldopfer^) und Schenkelgabe/') Und heiliges Opfer"*) und Erstlinge der Heiligen.'") Aehnlich ist die Stelle 32, 8 f. und 45, 20 f. — Urim und Thumim sind erwähnt Gap. 36, 3: Der einsichtsvolle Mann vertraut dem Gesetze und das Gesetz ist ihm treu, wie der Ausspruch der Wahrheit verkündenden Urim und Thumim/') Eine interessante Schilderung der hohepriester- lichen Pracht und des Glanzes des Gottesdienstes findet sich Cap. 45, 7 — 22, an welcher Stelle anlässhch des Loblieds auf Ä.aron, besonders die hohepriesterliche Kleidung be- schrieben wird, und im 50. Kapitel, welches begeistert den Glanz Simons des Gerechten besingt. Mit glühenden Farben 1) s. 5. Mos. 26, 2 riKiiiin ns bn n-'tr^xn. -) Hierunter ist das 3. Mos. Cap. 5 und Cap. 7, 1—7 erwähnte CS!^ verstanden, nicht ni^tair, JiKian übersetzt die Septuaginta durch -zp'. Tfjc; äu.(zpx''c(c;, während Dli'K durch -spi -ffi -\r^y).\xiKv.a-. Die Unter- sclieidung beider Opfer ist sehr schwer; s. dar. Maimonides, Mor e nebochiin 3, 46 und Abravanel (Abarbanel) Vorrede zum Levitikus. 3) nöTin,"l pW Schenlvel der Hebe ; dieser gehörte den Priestern von den friedensopfern D'öbtr •'nrsT; s. 2. Mos. 29, 22. 27 und öfters. *) Was hierunter zu verstehen sei, ist nicht ganz klar; im Text steht ö'j3'>y. ä:f'.a:5\i(yj\ vielleicht ist damit das unblutige Speiseopfer ."inJÖ gemeint; s, 3. Mos. Cap. 2; das drückt auch das syrische Ki^Tlpl üfirh aus. Wie Bretschneider (z. St.) hiebei an den Schenkel des Heiiigthums denken konnte, ist nicht zu verstehen, zumal diesen der Priester gar nicht bekam, da er für den Bau der Stiftshütte verwendet wurde, s. 2. Mos. 38, 25 ff.; Gutmanu (a. a. 0. z. St.) übersetzt Reinigungs- opfer; damit ist wohl riHtan gemeint vgl. 3. Mos. 14, 19. ') Auch dieser Ausdruck (griech. c).-o.rj-/j^ ä-^w/) ist schwierig. Die Hebe kann nicht darunter verstanden sein, weil sie nicht in den Erstlingen bestand. Gutmanu übersetzt; Die Erstlinge von allen heiligen Dingen; dann wären damit die 4. Mos. 18, 14. 15 und 4. Mos. 15 20 f. (3. Mos. 24, 9) genannten Dinge geraeint mVti .an"l "itss ,a"in. Bretschneider und Fritzsche fassen ^J~a.rj-/T^ äy.w-v als "'Ott' 'WV'a auf, als den Zehnten, welche die Leviten den Priestern geben raussten; dann ist äy.w^ genetivus sub- jektivus. ^) s. Grätz, Gesch. IIb. p. 175 Aum. 8; auch der goldene Leuchter im Tempel ist einmal erwähnt 26, 17. 51 wird er geschildert, wie er ainVersölinung-stage') im Tempel seines Amtes waltet. Die Stelle verdient schon wegen ihrer dichterischen Schönheit, besonders aber, weil sie die ganze Litnrgie des Tempeldienstes am Versöhnungstage enthält, hier wiedergegeben zu werden: „Wie war er herrlich bei des Volkes Umzug, ^) Wenn er hervortrat aus des Tempels Vorhang: So strahlt der Morgenstern am AVolkenhimmel, So glänzt der Vollmond in der Erndte Tagen.^) So blinkt der Sonne Gold auf Zions Tempel,"*) So leuchtet im Gewölk der Regenbogen. So blüht die E,ose in dem jungen Lenz,*^) Die Lilie am frischen Wasserquell, Zur Sommerzeit auf Libanon die Ceder;") So ist des Feuers Glanz, des Weihrauchs Duft, So schimmert eine goldene Schale, von Juwelen eingefasst und Edelsteinen, Ein Früchte treibender Olivenbaum, Eine Cypresse, die zum Himmel ragt. Wenn er das prächtige Gewand genommen') ') s. Derenboiu'g a. a. 0. pag. 49 Anm. 1 : les raots o'./.ou y.a-zazzzrh- \yxxei Sirach auf, und einige hielten darum Sirach für einen Priester,^) andere glaubten darin den Haupt- grund erblicken zu dürfen, wesshalb Sirach von den Rabbinen aus dem Kanon der heiligen Schriften ausgeschlossen worden sei.'') Auffallen musste einem jeden, der sich näher mit ') lu dem mehrlach citirteu Aufsatze: die Söhue des Tobias, die Hellenisten und der Spruchdichter Sirach (Monatsschrift 1872); vgl, Ge- schichte IIb. pag. 287 ff. -) Zunz a. a. O. pag. 160; Nöldeke a. a. 0. pag. 157 ff.; Linde, (Uebersetzung Sirachs)- pag. IX, ^) Geiger in dem öfters angeführten Aufsatze: Warum gehört das Buch Sirach zu den Apocryphen (Z S der DMG pag. 538): „Unlieb ist den Pharisäern die entschiedene Vorliebe für das Priestergeschlecht und dessen zadokitischen Herrscherstamm". 55 Siracli beschäftigte, seine ganz imgewölinliclie Art und Weise von den Priestern zu reden. Einige Stellen sind oben') citirt worden. Besonders ins Auge fallend ist die eigentliümliche Hervorhebung Aarons, dessen Lobe 29 Verse gewidmet sind, während Moses sich mit 9 Versen begnügen muss. Doch man höre einige dieser Verse selbst: 45, 7. Gott schloss mit ihm einen ewigen Bund Und gab ihm das Priesterthum des Volkes.-) 13. Kein Fremder legte je die Priestergewänder an, Nur seine Söhne allein und seine Nachkommen ewiglich. 15. Es ward ihm zum ewigen Bunde Und seinem Samen bei den Tagen des Himmels, Dass er diene dem Herrn und des Priesteramts walte Und in Seinem Namen segne sein Volk. Er erwählte ihn aus allen Lebendigen, Darzubringen Opfer dem Herrn. 20. Und Er vergrösserte Aarons Glanz Und gab ihm Besitz, Den Er ihm verlieh und seinem Samen. Nun folgt in den nächsten 7 Versen das Lob des Hohepriesters Pinchas : Mit ihm ward der Bund des Heiles geschlossen, Vorsteher der Priester und seines Volkes zu sein, Damit ihm und seinem Samen verbliebe Des Priesterthums Herrlichkeit in Ewigkeit. — Wie der Bund mit David Isai's Sohn aus Juda's Samm war, Dass des Königthums Erbe nur gehe von Sohn auf Sohn, *) pag. 49 ff. -) Grraetz vermuthet, dass im hebräischen Original nblU gestanden habe, wofür der Uebersetzer las CV und übersetzte [zrM-iim 'hrnj; (im syrischen steht ein ganz anderer Nachsatz, auch der Vordersatz lautet anders wie im griechischen). ha Also gehört des Holiepriesterthiiras Erbe dem Aaron und seinem »Samen. Warum fortwälirend die Betonung der Ewigkeit des Priesterthuras bei Aarous Gesclileclit? Sieht das nicht aus wie Furcht, es möchte anders werden, wie Mahnung, die Heiligkeit des aaronidischen Geschlechts zu scheuen. Möchte man nicht glauben, er führe zum warnenden Beispiel die Rotte Korachs an? Es standen Vermessene wider ihn auf Und waren eifersüchtig in der Wüste Der Herr sah's und nicht gefiel es in seinen Augen Und sie wurden dahingerafft in Zornesgluth. — Vielleicht wird die Anspielung Sirachs verständlich, wenn man die Zeitgeschichte ein wenig zu Hilfe nimmt. Sirach war jüngerer Zeitgenosse des Hohepriesters Simon H. des Gerechten'), welcher im Jahre 198 starb und seinen Sohn Onias III. als Nachfolger hinterliess. Onias' Amtsantritt fiel in keine glückliche Zeit für Juda. Um die damals herrschenden Parteiwirren und Bestrebungen gehörig wür- digen zu können, ist es nöthig, etwas weiter in der Ge- schichte zurückzugreifen. In dem letzten Drittel des 3. vorchr. Jahrhunderts stand ein Mann politisch im Vordergrunde des judäischen Gemeinwesens, der sich vermöge seiner gewandten Klugheit und seiner Energie aus unbedeutender Stellung bis fast zum aneikannten Führer nicht allein Palästinas, sondern ganz Cölesyriens aufgeschwungen hatte. Es war dies der General- Steuerpächter Joseph, Sohn des Tobias, mütterlicher Seits Enkel des Hohepriesters Simon I. Es war ihm gelungen, die von dem alexandrinischen Hof an den Meistbietenden versteigerte Steuerpacht über Cölesyrien zu erwerben und 22 Jahre lang in seinen Händen zn behalten. *) s. Einleitung pag. 11. Die.se 22 Jahre') genügten für ilin, sicli gewaltige Reicli- tliümer zu sammeln-) und diircli seine Macht und seinen Einfluss eine ganze mächtige Partei zu gründen, welche später den Namen Tobiassöhne (oder Tobiaden)^) trug, sie genügten aber auch andererseitsi!, um Judäa infolge des häu- figen Verkehrs mit Griechenland und dem verderbten Hofe von Alexaudria^) Gefallen finden zu lassen an griechischer Art und Sitte. Nach Josephs Tode entstand ein Zwiespalt zwischen seinen älteren Söhnen einerseits und Hyrkan andererseits, der obschon der jüngste, dennoch gestützt auf seine Gewandheit und seine Beliebtheit beim alexandrinischen Hofe auf die Nachfolgerschaft seines Vaters Ansprüche er- hob.'^) Es kam zu blutigen Auftritten, und zwei der älteren Brüder blieben im Kampfe. Dieser Ausgang muss wohl eine erbitterte Stimmung gegen Byrkan erzeugt haben; denn er ward vom Hohepriester Simon dem Gerechten aus Jeru- salem verbannt.^) Jetzt gelangte allmählich die Tobiaden- partei in Jerusalem zur gebieterischen Macht und mit ihr ') Die genaue Fixirung dieser 22 Jahre macht nach der Darstelluug des Josephus (Antiquitäten XII, 4, 1 ff.) nicht geringe Schwierigkeiten; Droysen und Mommsen setzen dieselben in das erste Drittel des zweiten Jahrhunderts; dagegen Stark (Gaza und die philistäische Küste pag. 412—417) mit besseren Grründen von 229 — 207; Graetz (Geschichte IIb. pag. 244 Anm.) von 230-208; Herzfeld (a. a. 0. II pag. 212 ff.) von 227—205. -) Josephus, Aütiqu. XII, 4, 10. ^) Josephus, jüd. Krieg I, 1, 1; Antiqu. XII, 5, 1. *) s. Stark a. a. 0. pag. 394, ■^) s. Josephus, Antiquitäten XII, 4, 6 ff. •>) Diese Yertreibiing des HjTcan durch Simon IL ist der Haupt- grund, welchen Graetz gegen die Annahme, dass er derselbe sei, der den iseinamen „der Gerechte^* trage und im Talmud so sehr gefeiert werde, geltend macht (s. Geschichte IIb. pag. 236 Anm.; Monatsschrift 1872 pag. 61 f.). Allein erstens braucht es Simon darum noch nicht mit den Tobiassöhuen gehalten zu haben; verwandt war er ja mit Hyrcan ebenso wie mit ihnen; dann ist es nicht erwiesen, dass die Tobiaden zu seiner Zeit schon ausgeartet waren. Josephus berichtet dies erst von einer um 30 Jahre also ein Menschenalter später liegenden Zeit. Sonach sind es gar nicht die Söhne des Steuerpächters Joseph, sondern seine Enkel, von denen Josephus spricht. 58 das griecliisülie "Wesen. So lauge der starke, angesehene Hohepriester Simon der Gerechte lebte, mochte sie sich wohl in erlaubten Schranken gehalten und Gesetz und Judenthum respektirt haben. Kaum aber hatte sein Nach- folger, der oben genannte Ouias III. sein Amt angetreten, da begannen die Feindseligkeiten. Der Hohepriester sah sich genöthigt, die Zwietracht schürende Partei der Tobiaden aus Jerusalem zu verbannen. Was geschah? Ein gewisser Simon, Anhänger der hellenistischen Partei, Hess dem sy- rischen König, Seleukus IV., die verrätherische Nachricht zukommen, Onias bewahre im Tempel ungeheure Schätze.') Der stets geldbedürftige König von Syrien schickte einen Abgesandten nach Jerusalem, den Schatz zu heben; aber die Sache verlief resultatlos.^) Dennoch ruhte Simon nicht; es war darauf abgesehen, Onias aus seinem Amte zu ver- drängen. Onias entschloss sich, selbst an den syrischen Hof zu reisen, um sich Ruhe zu verschaffen. Zu der Zeit hatte ein neuer syrischer Regent den Thron bestiegen, der mit blutiger Schrift seinen Namen in die Geschichte Israels eingraben sollte, Autiochus Epiphanes, und ihm schloss sich alsbald die hellenistische Partei der Tobiaden an.'^) Der Einfluss dieser Partei in Jerusalem muss damals allmächtig gewesen sein; denn ein Glied der hohepriesterlichen Fa- milie, Josua, oder Jason, wie er seinen Namen gräcisirte, der Bruder des Hohepriesters Onias, stand ihr nicht ferne. Mit einer grossen Geldsumme erkaufte er sich die Hohe- priesterwürde; doch seines Amtes Avurde er kaum froh, denn ohne Zweifel arbeitete und wühlte die Hellenistenpartei un- aufhörlich, um ihn zu stürzen und mit ihm den hohepriester- lichen Stamm der Zadokiten.^) Sobald einmal die Würde käuflich war, nicht ein Erbe von Sohn auf Sohn, dann stand ') 2. Makk, 3, 4 ff; anders Josephus, Auti(|'nitäten XII, 5, 1 und jtid. Krieg I, 1, 1; vgl, dazu Graetz, Gesch. IIb. pag. 278 Anm. ^) s. Makk. 3, 14 bis Scliluss. •■') 2. Makk. Cap. 4; Jos. Antiqu. XII, 5, 1. *) 2. Makk. 4, 24. 59 sie ja jeglichem frei,, und der Meistbietende konnte sie er- werben. Ist jetzt Siracli verständlich? Ist jetzt seine Anspielung klar? Ist es nicht die Erblichkeit der Hohepriesterwürde von Sohn auf Sohn, die er so nachdiiiklich betont? Hebt er nicht hervor, dass nur dem Aaron und seinem Samen die Würde gegeben ward, dass kein Fremder sich je mit des Hohepriesters Purpur schmückte? Nun liegt auch auf der Hand, warum er die Rotte Korachs erwähnt und wen er unter dieser Rotte versteht. Nun sind auchjene Verse Cap. 36, 7ff. verständlich, die so oft missdeutet worden sind: Warum ragt ein Tag vor dem andern hervor? So sind alle Menschen aus Staub, Aus Erde ward ja Adam geschaffen. Doch in seiner Weisheit Fülle unterschied sie Gott Und liess verschiedene Wege sie gehen: Einige von ihnen segnete und erhöhte er, Einige heiligte er und liess sie nahe kommen zu ihm, Anderen fluchte er und erniedrigte sie Und stürzte sie von ihi-er Stelle Böses und Gutes, Tod und Leben, Also gegenüber steht der Fromme dem Sünder. Wer noch zweifeln wollte, dass diese Stelle sich auf die AVirren der Zeit beziehe, der höre die Schlussworte dieses Capitels, wo Sirach plötzlich vom Thema abspringt und an seine Zeit sich wendet: Höret mich. Grosse des Volkes,*) Merket auf, Vorsteher der Gemeinde. ') Der vorhergehende Vers zc-czvorjoc-c rJ-:<. oü/ iuLoi (lövw ixoziooa d'/jsj. zäo<. -ol; ^r^ToDoi -(Z'.osi^v scheint aus 24, 34 an diese Stelle gerathen und stört sehr den Zusammenhang; im syrischen fehlt er. ÜU Und ebenso am Schlüsse des 45. Oapitels, nachdem von Pinchas die Rede war: Der Herr möge AVeisheit giessen in euer Herz, Dass in Gerechtigkeit ihr richtet sein Volk, Auf dass nicht schwinde sein Glück Und sein Glanz auf immer und ewig.') Alle Stellen in Sirach, die auf die äussere politische Lage anspielen, lassen sich am besten und ungezwungensten von dieser Zeit verstehen. Man hat einige Sprüche auf die Zeit der Verfolgungen unter Antiochus beziehen wollen;") aber viel besser passen dieselben für die oben geschilderte Periode. So die Aufforderung an die treu gebliebenen Gottesfürchtigen, nicht zu verzweifeln 2, 7 ft'. und bis zum Tode für die Wahrheit zu kämpfen 4, 28. Andere Sprüche beziehen sich auf die gedrückte Stellung der jüdischen Nation, auf die Leiden, von welchen sie während der er- bitterten Kämpfe zwischen Syrien und Alexandria heim- gesucht wurde. Seit der Schlacht bei Ipsus 301 war Palästina in un- bestrittenem Besitz der Ptolemäer gewesen. Als aber im Jahi'e 222 in Alexandria der verweichlichte Schlemmer Ptolemäus Philopator, in Syrien ein Jahr früher der kriegs- lustige und kriegstüchtige Antiochus der Grosse den Thron bestieg, da ward Palästina Schauplatz erbitterter Kämpfe. Treffend vergleicht es Josephus einem sturmbewegten Schiffe, das von den Wellen bald nach dieser, bald nach jener Seite geschleudert wurde.^) Antiochus überschwemmte Palästina mit Truppen und eroberte alle Festungen; aber die erste Schlacht (bei ßaphia 317) fiel ungünstig für ihn aus; das Land wurde wieder ägyptisch. Nach Philopators Tode (206, nach Stark 203) benutzte Antiochus, der sich mit ») Die syrische Version liat Kabn KnöSn psb 3,1^1 ürhvh 15^3 boö ^übvi sin |in'72b pruiD^itrs pnmta sutDrij »hi bts» nötrn nörb pö*?, also eine Doxologie Sirachs. -) s. Hitzig, Psalmen pag. 118 Anm. ^) Jos. Antiqu. XII, 3, 3; vgl. überhaupt Stark a. a. 0. p. 388 ff. ; Graetz, Gesch. IIb. pag. 249 ff. u. 262 ff. 61 Philipp von Macedonien verbunden hatte, die Unmündigkeit des erst Tvenige Jahre alten Sohnes von Philopator, Ptole- mäus Epiphanes, um aufs neue in Palästina einzudringen. Alle Städte, seihst Jerusalem, fielen ihm zu (203, 200 [?]). Im folgenden Jahre schon wurden die Syrer wiederum durch eine ägj'pti^he Söldnerschaar unter Skopas aus ganz Pa- lästina vertrieben, die Städte mit Sturm erobert, darunter auch Jerusalem, dessen Mauern und Tempel empfindlichen Schaden litten. Auf die Kunde hievon sammelte Anti- ochus ein starkes Heer und errang an den Quellen des Jordan einen blutigen Sieg über Skopas (200, 198 [?]). Palästina kam jetzt dauernd unter syrische Herrschaft, und Jerusalem musste eine sjTische Besatzung aufnehmen. Auf diese Verhältnisse spielt Sirach an und fleht Ver- derben herab auf das Haupt der Feinde, welche Israel miss- handeln; in der Erinnerung an den alten Glanz und die Selbstständigkeit Judäas bittet er um Wiederherstellung derselben, um Erfüllung der Verheissungen Gottes an Israel : 33, 1. O Gott, Herr des Alls, erbarme dich unser und schaue herab Und schütte aus deinen Grimm gegen die Völker, die dich nicht kennen. Erhebe deine Hand gegen die fremden Nationen, Dass sie schauen deine Macht. Wie du vor ihren Augen dich uns als den Hei- ligen zeigst. So zeige dich vor unsern Augen ihnen als den Mächtigen,^) Und sie mögen dich erkennen, wie wir dich kennen, Dass kein Gott ist, ausser dir. *) So scheint der richtige Sinn des Verses (ioa-sp ivoi-'.ov «jtojv Yf'-^^^r,; iv "/;aiv, oü-ojc ivoj-iov /^ijlcTjv u.;-,'c<"/,uv (>;''■/;; iv a'jToI;); Fritzsche (z St.) meint: wie wir einst vor ihnen, so mögen sie jetzt vor uns büssen! Nein r,-(<.d-sd^r^- und ii2YJJ.'r/dz'.r- bilden einen schroffen Gegensatz. Die Peschito hat: iira(n)u>npnK ]^:vb s:3n p nc^npr« iirrirbn Köa d. h. wie du vor ihren Augen durcli uns geheiligt wardst, so müssiest du vor unsern Augen durch sie geheiligt (angebetet) werden. 62 Erneiire die Zeichen, wiederhole die Wunder, Zeige stark deine Hand und deine Rechte. Rege auf die Wuth, schütte aus den Grimm, Vernichte den Feind, vertilge den Hasser, Lass nahen die Zeit und gedenke des Schwurs, Auf dass man verkünde deine herrlichen Thaten^); Durch deines Zornes Gluth möge verzehrt werden der Flüchtende, Untergang mögen finden, die dein Volk misshandelu. Zerschmettere das Haupt den feindlichen Heer- führern, Die da reden: Nichts ist ausser uns. Sammle alle Stämme .Takobs 36, 15. Und lass sie das Land besitzen, wie vor Alters. Erbarme dich des Volkes, das nach deinem Namen genannt ist. Und Israels, zu dem du sprachst: Mein Erst- geborner bist du. Nimm dich an Jerusalems deiner heiligen Stadt, Der Stadt, wo deinen Thron du errichtetest. Erfülle Zion mit deiner Herrlichkeit Und den heiligen Tempel mit deiner Majestät.-) (vgl. 32, 18 u. 10, 8 ff.) Noch zwei Stellen in Sirach, die ein besonderes Licht auf ihre Zeit werfen, verdienen nähere Besprechung. Die eine ist der Anfang des 50. Kapitels: Gross unter seinen Stammgenossen, eine Krone seines Volkes'^) M Der Syr. hat njK niau KOö "[b nüKH rr^bn btaü K33? xtsöi rt:ip ü2« Gekommen ist das Ende, genahet die Zeit; darum ist keiner, der dir sagen dürfte: was thust du! -) Nach dem syrischen D^pK Cl) "pTn "pp'ii pl "imsi |D jl.T:: ^bfi anp lÖTT'K "fnaxi STinnO; die Sept. hat: -Ipu^ Ikmv arjzzrjjjjjw-, 3'vj. ■/m': ä-(j zf,- O'Jcy,:, j'j'j töv l.aw (vc^ov ?) 3ou. •'') Diese Worte, die im griechischen Texte felilen, sind der syrischen Version entnommen: K3") Xins X'':n3 IS prnr nnvt ab^h2^ \Tnt< ::i, (K'JDJ ist vielleicht verschriehen für K'':in3, im hebriiischeu iv:in;; Geiger 63 War Simon, Sohn des Onias, der Hohepriester, Der in seinem Leben das Gotteshaus ausbesserte Und in seinen Tagen den Tempel erneuerte.') Unter ihm ward der Grund gelegt zu der Höhe der Doppelhalle In einem hohen Unterbau des Ringes um den Tempel,-) In seinen Tagen ward gegossen ein Wasserbecken von Kupfer, Wie eines Meeres sein Umfang.^) Er sorgte für sein Volk vor Fall Und befestigte die Stadt vor Belagerung. Wann Tempel und Mauern zu Jerusalem so empfind- lichen Schaden litten, dass deren Wiederherstellung dringend geboten war, ist oben schon berührt worden;*) ebenso der meint, jVOin: uud das palästiüeusische Onias seien versclimolzen zu K''3n3 Z S der DMGr pag. 541 Anm.). Oline diesen Zusatz ist der Satz gar nicht vollständig, und die Erklärer sahen sich genöthigt, den Zusammen- hang künstlich herzustellen. Fritzsche (z. St.) übersetzt: Simon war es, der . . . •) Darauf beziehen sich vielleicht die beiden Gedenktage Megillat Taanit Cap. 2 'btt^n" "niT nsun n^'sn nrscD und Cap. 12 '^2 -itt'ü Kn^t'S '3 nsDö"? ^bi n''hv^'>' m^ n:^»'? r-\v s. Cassel a. a. O. p. 30. -) Diese Uebersetzung ist von Herzfeld (a. a. 0. II p. 200). Der Vers ist ungemein schwer zu verstehen. Fritzsche (z. St.) führt fünf verschiedene Uebersetzungen an. Griechisch lautet der Vers: xai ut: «Otoü i&suL2/,i.cu9-/j 'j'io; o'-Z-r^; ayvlr^Y.u.a h'b-(\L'jv -sfiißoXo'j '.cf>oü. Der Syrer hat einfach: Knmn n"'32 nxi KrT'üü (1) Xmc? D^onrKV, das bietet keine Par- allele. Das einfachste ist, zu Z<-j.r^:, zu ergänzen j-jmz (vgl. Pesachim 13 b biBS VtSD). Das würde auch mit den im Briefe des Antiochus er- wähnten o'-JjA :i-fjrA übereinstimmen-, s. dar. unten pag. 64; (vgl. Deren- bourg a. a. p. 51.) ^) vgl. biezu Graetz a. a. 0. p. 238 u. Anm. 1. Der Zweck dieses "Wasserbeckens war ein doppelter; einmal derselbe, dem im alten Tempel das eherne Meer gedient, s. 1. Kön. 7, 23 ff.; 2. Chron. 4, 2 ff'.; 2. Mos. 30, 18 ff.; dann als Wasserreservoir für den Fall einer Belagerung. "•) s. oben pag. Ol u. 10; Graetz (Gesch. IIb. pag. 227 u. Monats- schrift 1857 pag. 47 Anm. 1) nimmt eine Zerstörung der Mauern zu Jerusalem unter Ptolemäus I. an; aber von keinem Berichterstatter wird 64 ums Jahr 200 erlassene Brief des Antiochus, in welchem von der Wiederherstellung die Eede ist. Dort heisst es: Ich will, dass die Arbeit an ihrem (der Juden) Tempel voll- endet werde, die Säulengänge sowohl, als was sonst etwa auszuführen sein sollte; das Holz dazu soll ihnen aus Judäa und anderen Gegenden, auch vom Libanon ohne Zahlung dafüi' verabreicht werden; dasselbe geschehe mit allem, was sonst noch zum Ausbau des Heiligthums nothwendig sein sollte.') Die zweite in Betracht kommende Stelle sind die zwei Averse 50, 25 u. 26: Zwei Völker hasst meine Seele Und das dritte — es ist gar kein Volk! Die da wohnen im Gebirge Se'ir,-) die Philister Und das thörichte Volk,^) das in Sichem wohnet. Der Hass war jedenfalls ein gegenseitiger. Edomiter (jetzt Idumäer genannt) und Philister waren die alten Erb- feinde Israels. Die Feindseligkeiten der Saraaritaner datirten seit ihrem Ausschluss aus dem jüdischen Gemeinwesen durch Josua und Serubabel, und ewige Grenzstreitigkeiten (in jüngster Zeit auch das herrische Auftreten des Steuerpächters Joseph) sorgten dafür, dass die Zwietracht stets aufs neue angefacht wurde.*) Aus der oben citirten Stelle scheint zu jener Zeit eine Zerstörung erwähnt (vgl. auch Graetz a. a. 0. pag. 230 Anm. 1), ') Josephus Antiqu. XII, 3, 3. -) Die Septuaginta hat an dieser Stelle h ö'p^'- '^o.aarjzirxz, was ent- schieden falsch ist. Die Vulgata hat in monte Seir, die Peschito b^: ''20'' (was Bretschneider fälschlich für Ebal auffasst). Die ricbtige Erklärung s. bei Graetz a. a. O. pag. 269 Anm. 3; vgl. auch Fritzsche z. St. ^) Im griechischen Original o 'Laöz \j.mpf'jr; dafür hat eine alte äthiopische Uebersetzung \\).«)rja\(jz (s. Ewald, Zeitschrift der DMG I pag. 14); Ewald hält diese Lesart für die richtige; doch ist dies kaum wahrscheinlich; die Peschito hat auch X^DD KOUI das thörichte Volk; s. auch Fritzsche z. St. ■•) s. Josephus, Antiquitäten XII, 4, 1; 1. Makk. 3, 10; dazu Graetz, (Monatsschrift 1857) pag. 51 f. und Anm. 6 u. 7. 65 hervorzugehen, dass zur Zeit, als Sirach diese Verse schrieb, diese Volker mächtiger und geehrter waren, als Israel.') Was AVunder auch? Sie opferten leichten Herzens ihre Volkseigenthümlichkeit und Religion dem Eindringen grie- chischer Sitte und Kultur, und hatten sich bald völlig gräcisirt. ') vgl. Ewald, Gesch. des Volkes Israel IV- pag. 31ß. Gesellschaftliche Zustände und Stimmungen. Jede Uebergangsperiode erzeugt scharf getrennte Par- teien, deren Anfangs berechtigte Ansichten und Bestrebungen zuletzt in furchtbare Uebertriebenheiten ausarten. Das Volk spaltet sich in zwei feindselige Heereslager, in dem einen die alten, die sich schaaren um das Panier vaterländischer Sitte und Kultur, die nicht haarbreit davon weichen und in starrer Anhänglichkeit daran ganz übersehen, wie ihr Kreis immer enger, ihr Standpunkt immer isolirter wird, drüben im anderen Lager die neue Partei stürmend, umreissend und zerstörend, aufräumend mit dem alten Schutt: Nichts soll mehr übrig bleiben vom alten Bau; ein neuer glänzenderer soll sich erheben an dessen Statt; doch vergessen diese ganz zu untersuchen, ob auch der neue Bau zur alten Um- gebung passt, ob zum Boden, auf dem er soll errichtet werden. Eine solche Uebergangsperiode schildert das siracidische Spruchbuch. Doch ist nicht zu verkennen, dass es sich meist nur gegen die Ausschreitungen und Laster der einen Partei richtet, deren Treiben dem jüdischen Ge- meinwesen und der jüdischen Eeligion am gefährlichsten schien. Die Partei mag wohl stark gewesen sein, doch sicher stand der weitaus grösste Theil des Volkes nicht auf ihrem Standpunkte, sondern gehörte entweder der starr ge- setzestreuen oder einer mittleren, gemässigten Partei an.') Sirach will veredeln, will bessern, nicht die gesellschaftlichen Zustände seiner Zeit schildern, ebensowenig wie er die re- ligiösen und politischen geschildert hat. Andeutungen hierüber finden sich vielfach in seinem Buche zerstreut; Er- mahnungen dagegen und Strafreden, Warnungen und beissen- •) s. Graetz a. a. O. pag. 373—375. 67 der Spott sind fast auf jeder Seite anzutreffen. Er kämpft mit allen AVaffen, die ihm zu Gebote stehen, gegen die herr- schenden Laster, er spricht unaufhörlich von Sündern und Uebermüthigen , von Schlemmern und AVollüstliugen, von Verläumdern und falschen Freunden, von Frömmlern und fleuchlern.') Aber man muss stets festhalten, dass Siiach oft nur eine kleine Zahl im Auge hat. Wenn es hier auch einige Heuchler und Frömmler, dort auch viele Schlemmer, Wollüstlinge und Yerläumder gab, so kann doch die grosse Masse des Volkes, dessen normale Zustände von Sirach un- berührt bleiben, recht tugendhaft und sittlich gewesen sein. Es schien nöthig, diese Bemerkung vorauszuschicken, damit nicht das folgende Sittengemälde mit seinen grellen Farben die Augen blende und die falsche Vorstellung erwecke, die ganze Nation sei entartet gewesen und habe Israels alte Sitte und Religion abgeschworen. Von der ersten Partei ist nur wenig die Rede. Einige Stellen deuten auf eine Partei überfrommer Asceten") hin, die jede Freude sich versagten und anderen zu stören suchten (14, 11; 30, 21; 34, 31; 35, 3 ff.), die bei über- triebener Frömmigkeit oft einen bösen Kern im Herzen tragen (19, 23; 31, 25), die alles Gott anheimstellten und jedes menschliche Eingi-eifen in die Natur für Anmassung hielten (Cap. 38.) Darum erhebt Sirach seine warnende Stimme: Der Herr schafft aus der Erde Heilmittel Und ein Mann voll Einsicht verschmäht sie nicht. Auch dem Arzte gib Raum, ihn schuf der Herr, ') Nicht ausgeschlossen ist sogar, dass Sirach an vielen Stellen gar nicht auf seine Stammgenossen anspielt, sondern auf die heidnischen Völker, deren Gehahren er täglich vor Augen sah. ^) Ewald (a. a. 0. pag. 317) glaubt, einige Stellen im Sirach seien gegen die Saddnzäer gerichtet; diese existirten damals aber noch gar nicht; s. Jost a. a. 0. pag. 216 Anm. 68 Nicht weiche er von dir, denn seiner bedarf's, Auch in der Aerzte Hand liegt oft Gedeihen.') Unweit zahlreicher sind die Sprüche, in denen Sirach gegen die zweite Partei zu Felde zieht, in denen er ihre grenzen- lose Ausschreitungen und Entartung mit mächtigen Hieben geisselt. An einer früheren Stelle ist schon von der Ueberr Wucherung des griechischen Elements in Palästina seit den Zeiten Josephs, des Tobias Sohn, die Rede gewesen,^) Josephs Steuerverwaltung brachte aber neben griechischem Wesen auch noch grosse Reichthümer in das Land und mit diesen die Mittel zum luxuriösen Leben, das man dem alexandrini- schen Hofe abgelernt hatte.^) Die alte Einfachheit und Unbestechlichkeit, Sittenreinheit und Keuschheit räumte einer immer weiter um sich greifenden Schwelgerei und Unsitt- lichkeit den Platz. Eine falsche Scham bemächtigte sich der jüdischen Jünglinge und bald kam es so weit, dass sie sich des Gesetzes des Judenthums und ihrer Ehrlichkeit zu schämen anfingen. Dagegen eifert Sirach: O Kinder, die Lehre haltet in Frieden, Verborgene Weisheit und unsichtbarer Schatz, Was haben beide für Werth? Besser, ein Mensch, der seine Thorheit verbirgt, Als ein Mensch, der seine Weisheit verbirgt. Drum schämt euch dessen, was ich euch sage, Denn nicht jede Scham zu beobachten ist gut. Und nicht wird von jedem jedes in Wahrheit geachtet. Schämt euch vor Vater und Mutter der Buhlerei, Der Lüge vor Königen und Fürsten Und vor Richtern und Obern des Vergehens, Des Diebstahls vor Nachbarn, Schäme dich des Fluches durch Gott und den Bund. ') Za dieser St. vgl. die schönen Bemerkungen von Dukes a. a. O. pag. 26—30-, s. auch Graetz, Schir ha-schirim p. 86 Anm. ^) s. 0. pag. 57. 3) s. Josephus, Antiquit. XII, 4, 10-, dazu Graetz, Schir ha-schirim. pag. 83 ff. 69 Doch dieser Dinge schäme dich nicht: Nimm auf keinen ßücksicht, um zu sündigen, Des Gottesgesetzes und Bundes schäme dich nicht') u. s. w. vgl. 4, 21 ff. Auf die Verdorbenheit der Jugend beiderlei Geschlechtes werfen folgende Stellen ein schreckliches Licht. 16, 1. Wünsche dir keine Masse gottloser Kinder, Freu' dich nicht über gottlose Söhne. Besser ist eins als tausend Und kinderlos sterben, als gottlose Kinder haben. Viel dergleichen hab' ich gesehen mit Augen Und noch Aergeres hat vernommen mein Ohr. oder: 41, 5. Verabscheuungs würdig sind der Gottlosen Kinder, Sie halten in der Gottlosen Sitz sich auf. Weh' euch, ihi" Gottlosen, die ihr verliesset Des Ewigen Gesetz u. s. w. vgl. 23, 3 ff., 7, 23 ff., 42, 9 ff. Von der Un Sittlichkeit und Entartung des ehelichen Verhältnisses, von Tänzerinnen beim Mahle und Buhldirnen handeln viele Stellen 7, 26; 9, 1 ff'.; 25, 2; 33, 16 ff'.; 36, 9 ff.; von Schwelgerei 34, 12 ff. 25 ff.; 35, 7 ff.; von Bestechlich- keit 8, 14; 40, 12; von Verrath und Verläumdung und Be- ') Der Zusammenhang dieser Verse ist einfach: Ihr jüdischen Jünglinge habt die höchste, die offenbarte Weisheit; diese Lehre haltet in Frieden; was nützt euch fremde trügerische Weisheit, dass ihr die eurige, die wahre verbergen wolltet, dass ihr euch ihrer schämt? Ihrer schämt euch nicht, sondern . . . Gar nicht zu verstehen ist die Erklärung von Fritzsche (z. St.); sehr abweichend ist der Syrer. 70 trug 37, 1 ff.; 7, 1 ff.; 28, 12 ff.; 27, 1 ff.; 51,2 ff.; von falschen Freunden, welche zuerst in kriechender Demuth die Hände küssen und hinterher den Kopf schütteln und in die Hände klatschen, welche vom Glücke erzeugt, vom Unglück ver- scheucht werden 12, 8 ftV, 19, 13 ff.; 27, 17 ff.; 37, 1 ff. u. s. w. Die oben geschilderte Parteiung hatte noch andere so- ciale Schäden im Gefolge. Alle Standesunterschiede traten schroffer auf, alle Verschiedenheiten der Lebensweise und de Anschauung schärften sich zu. Arm und Reich, Vor- nehm und Gering, AVeise und Ungebildet, Mächtig und Niedrig, sind Benennungen für Menschenklassen, die einander entgegenstehen wie Wolf und Lamm: 13, 17. Welche Gemeinschaft hat der AVolf mit dem Lamm? So der Sünder mit dem Frommen. Welchen Frieden hält Hyäne und Hund? Welchen der Reiche und der Arme? Des Löwen Beute sind AValdesel in der Wüste, So sind der Reichen Trift die Armen u. s. w. Man vergleiche noch folgende Sprüche: 13, 2. Eine Last, die dir zu schwer, hebe nicht auf. So gehe nicht um mit einem, der stärker und reicher. AVas hat der Topf mit dem Kessel gemein? Der eine stösst an, der andere zerbricht. Der Reiche thut Unrecht und brummt noch, Der Arme leidet Unrecht und bittet noch. Kannst du ihm dienlich sein, so nützt er dich, Hast du Mangel, so lässt er dich.') Ruft dich ein Mächtiger, zieh dich zurück. 8, 1. Streite nicht mit einem Mächtigen, Sonst möchtest du in seine Hände fallen, Processire nicht mit einem Reichen, Sonst möchte er sein Geld gegen dich ins Gewicht legen (vgl. 7, 4 — 6). >) vgl. Aboth 2, 4. 71 Während bis zur Zeit des Eindringens griechischer An- schauungen und Sitten fast ganz Judäa in ackerbauendes und viehzuchttreibendes Volk war,') scheint dies nun ein anderes geworden zu sein. Der Grieche hielt es für eines freien Mannes unwürdig, das Feld zu bebauen und über- liess diese Arbeit den Sklaven. Das haben sich wohl die alles griechische Wesen nachäffenden Emporkömmlinge Judäas gemerkt, wie aus folgenden interessanten Versen hervorgeht: 7, 15. Hasse nicht die mühselige Feldarbeit Und den Landbau, der vom Höchsten angeordnet ward.^) Nicht zähle dich zu der Sünder Menge! Spi eingedenk, dass die Strafe nicht zögert. Unterwirf dich in tiefster Demuth, Denn des Sünders Strafe ist Feuer und Wurm. Diese „Sünder" und „Hochmüthigen" mögen nach grie- chischer Art auch hart und unmenschlich gegen ihi'e Sklaven gewesen sein; darum fälut Sirach gleich darauf also fort: Misshandle nicht den Sklaven, der treu arbeitet. Und nicht den Arbeiter, der sich hingibt.') Liebe den einsichtigen Sklaven Und die Freilassung mögest du ihm nicht vor- enthalten. Noch gehört der folgende Vers hierher: Hast du Viehstand, so sorge für ihn, Ist er dir nützlich, so behalte ihn ja! So sehr nun Sirach auch eifert gegen griechische Laster und Sittenverderbniss, so verkannte er auf der andern Seite •) vgl. den Aristeasbrief, der in diese oder die kurz darauf folgende Zeit zu verlegen ist; s. Freuden tiial, hell. Studien p. 125. (Grraetz, Schir ha-schirim pag. 83; M S 1872 p. 52.) ') Fehlt in der Pescbito; vgl, 20, 28 o ipfcC^lJ^^vo^ -p7,v «vucjicöasi &rjU.ojv(av czjtov; auch dieser Halbvers fehlt in der Pescbito. ^) Dieser Ausdruck griechisch u-h^'.w oiöw-cz «{"j/jjv ao-o'j scheint entlehnt aus 5. Mos, 24, 15 iä'B: KCID Kin vhit\ Der Syrer hat KI'JK nvt: böröT zur Sache vgl, 30, 34 bis Ende des Cap, 72 doch nicht, was die griechische Kultur dem Lande gutes brachte. Er ist eingenommen für Musik beim Mahle und für fröhliche Geselligkeit: 35, 1. Hat man dich zumVorsitzenden beim Gelage bestimmt, So sei unter den Gästen wie ihresgleichen: Sprich nur weise und bedachtsam, o Alter, wie's recht ist, Aber der Musik sei nicht hinderlich,') Wo man dieser zuhört, da rede nicht Und zeige dich nicht weise zur Unzeit, Wie ein Siegelring mit Edelstein bei goldnem Schmuck, So ist Musik beim Weingelage; Wie goldner Siegelring mit Smaragden, So ist Concert beim süssen Weine (vgl. 44, 5; 40, 20 ff.) Er hat kein Wort des Tadels gegen die schönen Künste und Handwerke, welche die griechische Kultur brachte, gegen die, welche Gravuren auf Siegeh'inge eingraben und sich mit Bildhauerkunst und Malerei beschäftigen,^) „alle solche Leute vertrauen auf ihre Hände und jeder hat Ein- sicht bei seinem Geschäft; keine Stadt wird gebaut ohne sie" (35, 31). An derselben Stelle wird auch des Maurers und Zimmermanns und Schmiedes und Töpfers gedacht. Aber der ganze Passus hat eigentlich nur den Zweck, diese Hand- werksleute und Künstler einem andern Stande gegenüber- zustellen, welcher vor nicht gar zu langer Zeit erst ins Leben getreten war und schon solche Bedeutung und solchen Einfluss gewonnen hatte, dass Sirach nicht Worte genug finden kann, ihn würdig hervorzuheben und zu preisen. Es ') Von hier ab bis zum Schluss fehlt im syrischen; dafür ist der im vorigen Verse ausgesprochene Gedanke weiter ausgesponnen. -) Sir. lü, 11 findet sich ein Spiegel (aus polirtem Metall) erwähnt, 'im-.-rjv/ in der Septuag. s. Fritzsche z. St. 73 war dies der Stand der Soferim,') der Schiiftkundigen oder Weisen, „der Führer des Volkes in Ratli und Einsicht, der Lehrer des Volkes, weise in Worten bei ihrer Belehrung" (44, 4). Ein ^anz neuer besonderer Stand war mit ihnen aufgekommen, dessen ganze Thätigkeit in Auslegung und Deutung des Gesetzes und im Unterricht der Jugend be- stand; der Unterricht war unentgeltlich-) (Sir. 51, 23lf.); denn das Streben dieser Männer ging darauf hinaus, mög- lichst viele Schüler zu gewinnen.^) Die Stelle bei Sirach lautet: Erst zur rechten Mussezeit kommt des Schrift- gelehrten Weisheit, Und der sonst keine Geschäfte treibt, wird weise. Wie mag der weise werden, der hinter demPflug geht. Wie der, welcher des Ochsenstachels sich rühmt?'*) Nun spricht Sirach in der oben erwähnten Weise von der Beschäftigung der Handwerker und Künstler; alle diese aber, fährt er fort, alle diese Im Volke, wenn es Eath hält, werden sie nicht gesucht, In Versammlungen thun sie sich nicht hervor. Auf dem Richterstuhle sitzen sie nicht, Und den Rechtsbund verstehen sie nicht. Dagegen wer seinen Sinn darauf richtet Und nachdenkt über des Ewigen Gesetz, *) vgl. über dieselben Graetz, Gesch. IIb. pag. 182 ff.; Ewald, Gesch IV- pag. 304; Frankel, über alexandrinische und palästinensische Schrift- forschung p. 6; Herzfeld, Gesch. III. p. 31. -) vgl. Aboth 1, 3; 4, 2 (m^ü m::ia nstr); interessant ist folgende Stelle in ßechoroth 29a: In der Mischna heisst es; V;n ]'nb Ti2r '?Di:n i-''7'tS3 etc.; darauf fragt die Gemara: 21 ^.ÖK nm.T m "läK •'"r^ö "jn:a ■".rK^ ':n "!2: ":n c:n:i er« s]ü c:nr ■:« .na nr, crns Tna'-' n^-i K-,p -laxn -I2C3 ~\iib"c u:nz s::^ ab csr ";c" c:nr crs f^,« c;nr ";« n.'s -nb« 'n "li -i2rn nnabs -r -irr^ n'rna'rc' bct iisk^ Kbv p:ai r\:p na« -«.dt? mabn -n2ön b^'. rt:p nax b^n, =») vgl. Aboth 1, 1. *) vgl. Aboth 4, 12 n-nnn pon pors 'k:!;»» mn -iöik -i"«!» "n-i da- gegen 2, 2 111 cv min ■na'^n ,-!£'' -löix K'r;n mm"' 'm bv; ijn '7N'''7aj p-i 74 Vor Grossen dienet er, Ersclieinet vor Fürsten. — Viele werden seinen Rulim verkünden Und in Ewigkeit Gestehet sein Name,') Sein x\iidenken lebt auf ewig fort, Sein Gedäclitniss von Geschlecht auf Geschlecht. V()]ker werden preisen seine AVeislieit, In der Gemeinde Mitte wird erzählt von seinem Lob. Von tausend wird er verherrlicht beim Leben Und ewiger Nachruhm erblüht ihm nach dem Tode'. Vielleicht mag Sirach darum diesen Stand so hoch er- hoben haben, weil er Anfangs mancherlei Anfechtungen aus- gesetzt war. Die Kleingewerbtreibenden, die Bauern und Handwerker, die alle bloss körperliche Arbeit kannten und zu schätzen wussten, haben wohl mit scheelem Auge auf diese nur still geschäftige Klasse hingesehen, welche durch ihr geistiges Uebergewicht bald alle Ehrenstellen und die Führerschaft über das Volk erlangte. Was gab ihnen hierzu das Recht? Waren sie Propheten, die in gewaltigen Reden voll glühender Begeisterung das Volk hinrissen, waren sie Priester, denen ihre Abkunft schon den Adelsbrief mitgab? — Nichts von beiden; aber sie waren die Nachfolger der alten Propheten, sie waren die Vorläufer der späteren grossen Lehrer in Israel, und ihre stille Geistesarbeit hat den festen Ilntergmnd gelegt, auf dem spätere Geschlechter einen Bau eirichten konnten, der allen Stürmen und Wettern der Zeit Trotz zu bieten vermochte. ') Hier und beim letzten Verse ist die Peschito benutzt, die viel bessere Lesarten hat. Nach der Septuaginta lautet die Uebersetzung^: Seine Einsicht werden viele loben, bis in Ewigkeit wird er nicht ver- gehen, wenn er alt wird, wird er einen grösseren Namen hinterlassen, als tausend, und legt er sich zur Ruhe, so vergrössert sich dieser. — Das: letzte heisst syrisch: nantTJ f]bx'Z «5^3 JK; im hebr. Original stand wohl s^bKö 77nö; das übersetzt der Grieche /^ yih.'ii. Vita. Natus sum Caesar Seli^mann, Landaviae in oppido Palatii die XIV. mensis Decembris anni h. s. LX. patre Mose, matre Eleonora e gente Neug'ass; matrem dilec- tissimam, praematura morte mihi ereptam, lugubri animo (lesidero. Patrem carissimum, ut mihi usque ad siimmam senectutem salviim et incolumem servet Deum O M rogo atque oro. Primis litterarum elementis in seminarii schola Luthra Caesarensi imbntus anno h. s. LXXI ejusdem oppidi gym- nasium adii, ubi anno LXTX maturitatis examen absolvi. Auctumno ejusdem anni universitatis Monachiensis Maximili- aneae civibus adscriptns per tria semestria scholis interfui, quas habuerunt viri illnstrissimi Bernaj's, Breymann, Bnrsian, Carriere, de Christ, Hofmann, de Prantl, de RielU. Inde Vratislaviam me contuli, ubi per quattuor semestria disserentes audivi viros ill. Caro, Freudenthal, nrätz, Praetorius, Roepell, Schultz, Vischei, Weber. Simul in seminaiium judaico-theologicum receptus sum, Institutione patris mei satis praeparatus. Seminarii sodalibus etiam nunc adnumeror, Scholis interfui virorum ill. Freuden- thal, Grätz, Joel, Rosin, Lewy, Zuckermann. Praeceptoribus meis omnibus gratias habeo semperque habebo quam maximas. Druck von Th. Schatzky, Breslau, Wallstr. 14. > ^ <^f^f?H- PLEASE DO NOT REMOVE CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY Seligmaim, Caesar Das Buch der Weisheit des Jesus Sirach (Josua ben Sira) in seinem Verhältnis s zu den salomonischen Sprüchen und seiner historischen Bedeutung